FC Bayern: Louis und die Lehren von Rinus Michels

Vor dem Gastspiel in Dortmund erklärt van Gaals Assistent Andries Jonker exklusiv in der AZ die vier Säulen des neuen Fußballs des FC Bayern.
von  Abendzeitung
Er lieferte die Vorlage: Rinus Michels († 2005).
Er lieferte die Vorlage: Rinus Michels († 2005). © Rauchensteiner/Augenklick

Vor dem Gastspiel in Dortmund erklärt van Gaals Assistent Andries Jonker exklusiv in der AZ die vier Säulen des neuen Fußballs des FC Bayern.

MÜNCHEN Seit Donnerstag ist der Chef zurück. Zehn Tage lang waren die Bayern louis-los, van Gaal hatte sich in seine Heimat zurückgezogen. Sein Statthalter in München war natürlich auch ein Landsmann: Andries Jonker (46), schon beim FC Barcelona van Gaals rechte Hand. Auch wenn wegen der Länderspiele teilweise nur drei Spieler an der Säbener Straße waren, zog Jonker das – stets per Handy mit van Gaal koordinierte – Programm durch.

Vorbereitung auf die Partie am Samstag bei Borussia Dortmund (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) einerseits und zugleich – nach dem ganzheitlichen Prinzip – Weiterbildung für die Spieler. Auf dem Programm seit 1. Juli: Die Lehre der holländischen Schule nach Altmeister Rinus Michels (1928-2005). „In Holland verstehen wir Fußball sehr strukturell, und das perfekte Muster, die richtige Vorlage hat Rinus Michels geliefert“, sagte Jonker der AZ, der Michels einen „Mann der Struktur“ nennt. Michels gilt als Verfechter des „voetbal total“, er führte die Nationalmannschaft 1974 ins WM-Finale und gewann mit ihr 1988 die EM. Mit Ajax holte er die Champions League. Johann Cruyff sagte über Michels: „Als Spieler wie auch als Trainer lehrte mich niemand so viel wie er. Ich habe seine Führungskraft bewundert.“

Wer in Holland einen Trainerschein macht, geht in die Michels-Lehre. Auch Jonker. „Wir unterscheiden zwischen zwei Mannschaften: Teams auf Profi-Niveau oder Ball-aufs-Dach-Teams, die ungestüm und ungezielt den Ball wegschießen.“ Das Prinzip Brechstange – ein Graus.

„Louis denkt genau wie ich“, sagt Jonker und erklärt, wie der oranje-gefärbte Fußball der Bayern in Zukunft aussehen soll. Der Assistent von van Gaal sagt: „Das gesamte Spiel ist ein Kreislauf, ein Rhythmus. Wenn man Fußball auf die einfachste Ebene herunterbricht, gibt es nur zwei verschiedene Momente eines Spiels: den eigenen Ballbesitz und den Ballbesitz des Gegners. Dann gilt es, vom einen Zustand zum anderen umzuschalten.“ So denkt van Gaal. Assistent Jonker erläutert die vier Säulen des Spiels:

1.Ballbesitz des Gegners: Jonker: „Dann müssen wir uns fragen: Wie verteidigen wir? Was machen die einzelnen Mannschaftsteile, wie arbeiten sie zusammen?“

2. Balleroberung: Jonker: „In der Theorie ist es so: Wenn der Gegner 45 Minuten den Ball hat, ist Halbzeit. Wir bekommen den Ball nur, wenn er ihn ins Aus schießt oder ein Tor erzielt. Ansonsten müssen wir ihn erobern, danach ist der Moment des Umschaltens enorm wichtig. Man hat zwei Möglichkeiten: Den Ball ruhig in den eigenen Reihen halten oder einen schnellen Konter ansetzen. Ein Beispiel: Unser Tor zum 3:0 gegen Wolfsburg als Schweinsteiger den Ball nach einem Freistoß erobert hatte und er über Robben, Ribéry und Robben nach acht Sekunden im Tor war. Das war hohes Niveau, das macht den Unterschied aus.“

3. Eigener Ballbesitz: Jonker: „Bei Teams, die spielüberlegen sind, ist das der Hauptanteil. Wir wollen den Ball haben, ihn nicht schnell verlieren. Aber der Gegner ist meist gut organisiert, dann müssen wir eine Lücke finden.“

4.Ballverlust: Jonker: „Was am meisten weh tut, ist ein leichtsinniger Ballverlust. Die schönste Art, den Ball zu verlieren, ist: Ein Tor zu schießen. Dann hat der Gegner Anstoß. Verlieren wir den Ball, fragen wir: Wie sind wir organisiert? Dann sind wir wieder bei Punkt 1.“

Bislang am besten umgesetzt, glaubt das Trainergespann, wurde der neue Stil beim 4:1 gegen Milan beim Audi-Cup. Jonker: „Mit einem schlechten Spiel auch mal 1:0 zu gewinnen, ist schön. Aber wir denken, dass gute Spiele auf lange Sicht immer in Siege übersetzt werden.“ Und in Auszeichnungen. 2007 und 2009 gewann van Gaal den Preis als bester Trainer Hollands, den Rinus-Michels-Award.

Patrick Strasser

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