FC Bayern: Als Gott noch in Neapel lebte

Neapel - Poesie geht immer in einer Stadt, die schon immer in ihren Problemen und im Müll zu versinken drohte. Insofern konnte Napoli sich keinen besseren Trainer aussuchen als Walter Mazzarri. Der 50-Jährige stammt zwar aus der Gegend um Livorno in der Toskana und sympathisierte früher mit den Kommunisten, ist aber auch ein begnadeter Aphorismen-Erfinder. „Der Regen fällt da am stärksten hin, wo es sowieso schon nass ist“, fiel Mazzarri am Samstag ein. Seine Jungs hatten im San Paolo mit 1:2 gegen Parma verloren, zudem hatte man ihm gerade vom 4:0 der Bayern gegen Hertha berichtet. „Wir müssen verdammt aufpassen, Bayern hat eine galaktische Mannschaft“, sagte Mazzarri.
Für einen Mann, der dem SSC Neapel – und damit der ganzen Stadt – wieder Leben eingehaucht hat, ist das ein bemerkenswert bescheidener Satz.
Die Hand Gottes: Das ist Maradona:
Andererseits: An Hysterie mangelt es Neapel sonst ja nicht. Wenn sie könnten, die Tifosi hätten Mazzarri längst einen Heiligenschein verpasst. Und Aurelio de Laurentiis gleich mit. Der Präsident steht mit dem Trainer vor allem für die Auferstehung eines Klubs, der schon immer mit der Bürde leben musste, für das Seelenheil einer ganzen Stadt, ach was, von ganz Süditalien, verantwortlich zu sein.
Rummenigge: "Die beste Mannschaft Italiens"
Zum ersten Mal seit den glorreichen Zeiten Ende der 80er spielt Napoli wieder in der Champions League. Für Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sind sie derzeit gar „die beste Mannschaft Italiens“. So wie damals, als Napoli den Großklubs aus dem Norden das Fürchten lehrte, 1987 und 1990 als erster – und bis heute einziger Klub aus dem Mezzogiorno – Meister wurde und 1989 den Uefa Cup gewann. Damals, als Gott noch in der Stadt lebte. Dass es nur reiner Zufall sei, dass die Begriffe „Dio“, also Gott auf italienisch, und „Diez“, also zehn auf spanisch und Spitzname von Diego Armando Maradona sich so ähneln, glauben nur Leute, die nicht aus Neapel kommen. Unzählige Jungs aus dem Geburtsjahrgang 1990 wurden auf Diego Armando getauft.
Da darf auch Diego Armando Contento keine Ausnahme sein. Die Familie des Bayern-Talents stammt aus Neapel, besitzt heute noch ein Haus am Fuße des Vesuvs. „Napoli ist mehr als nur ein Fußballklub, er ist für die Menschen hier fast eine Religion“, sagt Contento. Zwölf Tickets hat er für das Spiel am Dienstag für seine Verwandten besorgt. Dass sie Bayern anfeuern würden, ist ausgeschlossen, selbst wenn er spielen dürfte. „Das ist kein Problem für mich, dass sie nicht für Bayern sind“, sagt Contento. Er ist ja eigentlich auch Napoli-Fan. „Aber auch Bayern-Fan. Schon als Kind kamen für mich nur zwei Vereine in Frage: Napoli und Bayern“, sagt er. Jahrelang hing in seinem Zimmer ein Poster Maradonas. Heute ist er Fan von Ezequiel Lavezzi, jenem argentinischen Fummler, der noch am meisten vom Talent Maradonas abbekam.
Noch vor sieben Jahren schien es undenkbar, dass die Tifosi jemals wieder einem wie Lavezzi zujubeln würden. Als die Erfolge ausblieben und irgendwann sogar die Camorra die Lust am Klub verlor, ging Napoli bankrott. Fast 80 Millionen Schulden hatte der Klub angehäuft. Dann kam Aurelio de Laurentiis und kaufte den Klub. Ein Römer, immerhin mit neapolitanischen Vorfahren. Und noch dazu vom Film. Das passte. De Laurentiis kokettiert gerne damit, wenig Ahnung vom Fußball zu haben. Aber er kann Dinge zum Laufen bringen. Und er hat Geld und Ahnung vom Business. Zum ersten Spiel in Liga drei kamen 40.000 Fans. Am Ende der Saison stieg man auf. 2007 ging es zurück in die Serie A. Und nun spielen sie wieder mit im Konzert der Großen. Und brauchen dafür nicht mal mehr Gott.