"Es ist kein Geheimnis": Woltemade spricht offen über Bayern-Wechselwunsch

Es wird viel über ihn gesprochen – nun spricht er selbst. Nick Woltemade über einen turbulenten Sommer, seine Gefühle, den harten Kurs des VfB, die Premier League und Bundestrainer Julian Nagelsmann.
von  Maximilian Wendl
Trägt künftig das Trikot von Newcastle United: Nationalstürmer Nick Woltemade. (Archivbild)
Trägt künftig das Trikot von Newcastle United: Nationalstürmer Nick Woltemade. (Archivbild) © Federico Gambarini/dpa

Er war das Top-Thema des Transfer-Sommers. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Fußball-Nationalspieler Nick Woltemade über seinen Wechsel vom VfB Stuttgart zu Newcastle United. Der 23-Jährige gibt Einblick in seine Gefühle, äußert sich zum harten Kurs des VfB im langen Wechselpoker - und zur Höhe seiner Ablösesumme. Auf sein bevorstehendes Debüt in der englischen Premier League blickt Woltemade voller Vorfreude.

Frage: Herr Woltemade, wie fühlt es sich an, über Nacht plötzlich 90 Millionen Euro wert zu sein?
Antwort: Auch wenn es am Ende nicht 90, sondern 75 Millionen waren, ist es natürlich schon verrückt. Wir Spieler suchen uns unseren Preis nicht aus. Von daher ändert es für mich persönlich nicht viel. Die Öffentlichkeit schaut natürlich anders hin, wenn an uns Spielern so ein Preisschild hängt. 

Frage: Was rufen solche Summen, die mittlerweile branchenüblich sind, in Ihnen hervor?
Antwort: Es ist Teil des Geschäfts, ich bin ein Teil des Geschäfts. Aber ich bin Fußballprofi, ich stehe auf dem Platz. Das ist meine Aufgabe. Klar, mit meiner Leistung beeinflusse ich den Preis. Aber was letztlich für mich verlangt oder bezahlt wird, entscheiden die Vereine. Es ist natürlich krass zu sehen, was für uns Spieler mittlerweile ausgegeben wird. 

Nick Woltemade verließ den VfB Stuttgart nach nur einem Jahr wieder. (Archivbild)
Nick Woltemade verließ den VfB Stuttgart nach nur einem Jahr wieder. (Archivbild) © Tom Weller/dpa

Frage: Wie überrascht waren Sie davon, dass kurz vor dem Ende der Wechselfrist doch noch ein Transfer zustande gekommen ist?
Antwort: Im Fußball geht alles immer sehr schnell und man sollte nie irgendwas ausschließen. Ich glaube, das haben weder der VfB noch ich getan. 

Verständnis für enttäuschte Fans

Frage: Teile der Fans zeigten ihren Unmut darüber, dass Sie nach nur einem Jahr beim VfB einen Wechsel forciert haben. Können Sie die Enttäuschung nachvollziehen?
Antwort: Ich verstehe absolut jeden Fan, der enttäuscht ist – und das nehme ich auch ernst. Es ändert aber nichts daran, dass ich in diesem schnelllebigen Geschäft für mich die vermeintlich beste Entscheidung treffen muss. Die Champions League ist immer eines meiner Ziele gewesen. Mir liegt viel daran, die Unterstützung der Fans nicht zu verlieren und daher hoffe ich, dass speziell die VfB-Anhänger diesen Schritt mit der Zeit nachvollziehen können. 

Frage: Zu Beginn wirkte es so, als strebten Sie ausschließlich einen Wechsel zum FC Bayern an. Nachdem dieser Deal nicht zustande gekommen war, wurde Ihr Transfer nach Newcastle von einigen dahingehend kritisch gesehen. Was entgegnen Sie diesen Stimmen?
Antwort: Es ist kein Geheimnis, dass ich mir auch einen Wechsel zum FC Bayern sehr gut hätte vorstellen können – aus denselben sportlichen Gründen, die jetzt auch für Newcastle gesprochen haben. Ich konnte und wollte als Spieler den nächsten Schritt gehen, die Premier League ist die stärkste Liga. Newcastle hat mir, wie ich bereits gesagt habe, einen klaren Plan und eine sehr überzeugende Perspektive aufgezeigt. Der Club ist zudem sehr familiär. Am Ende war es für mich daher schnell klar, dass ich diese Herausforderung sehr gerne annehmen möchte. 

Mediale Präsenz als Belastung

Frage: Wie haben Sie sich vor den vielen Schlagzeilen und dem öffentlichen Druck im Sommer geschützt?
Antwort: Mein Handy so weit es geht zur Seite gepackt und einfach probiert, nicht so viel über mich zu lesen. Ganz leicht war das nicht, da ich die letzten acht Wochen in den Medien schon sehr präsent war. Jetzt habe ich richtig Bock, mich wieder komplett auf den Fußball zu konzentrieren. 

Frage: Der VfB Stuttgart ist lange Zeit hart geblieben, als die Bayern Sie verpflichten wollten. Welche Bedeutung hat nun der Wechsel in die Premier League, nachdem der eigentlich geplante Transfer nach München geplatzt ist?
Antwort: Im Fußball etwas zu planen, ist schwierig. Ich bin total glücklich, jetzt in Newcastle zu sein. Ich freue mich sehr über den neuen Abschnitt in meinem Leben. Eine geile Aufgabe, die ich meistern und auch ein Stück weit genießen will. Natürlich geht das nur mit harter Arbeit, die mich ja letztendlich auch hierher gebracht hat. Die Premier League ist die beste Liga der Welt, dazu spielen wir in der Champions League. Ich bin Teil davon. Wie geil ist das denn? Ich habe immer daran geglaubt und jetzt ist es endlich so weit.

Max Eberl wollte Woltemade im Sommer verpflichten – aber nicht um jeden Preis.
Max Eberl wollte Woltemade im Sommer verpflichten – aber nicht um jeden Preis. © picture alliance/dpa | Tom Weller

Frage: Welche Gefühle wurden in Ihnen hervorgerufen, als die VfB-Verantwortlichen lange Zeit knallhart geblieben sind?
Antwort: Es war nicht immer ganz so einfach für mich. Deswegen war es umso wichtiger, dass in der Kabine alles normal gewesen ist. Meine Jungs und der Staff haben mich normal behandelt und immer probiert, mich bestmöglich auf die Saison vorzubereiten und zu unterstützen. 

Frage: Welche Rolle spielten Freunde und Familie bei den ganzen Spekulationen rund um Ihre Entscheidung, waren sie wichtige Ansprechpartner oder haben Sie die Entscheidung für sich getroffen?
Antwort: Ich bin ein Familienmensch. Natürlich bespreche ich solche Dinge mit meinem engsten Kreis. Schlussendlich habe und werde ich die Entscheidung immer selbst treffen. Die Leute bei NUFC haben es mir mit ihrer offenen, ehrlichen Art tatsächlich sehr einfach gemacht. Mein Gefühl bei der ganzen Sache war und ist sehr gut. 

Erwartungshaltung ist gestiegen

Frage: Viele Experten hatten Ihnen geraten, in Deutschland zu bleiben, um die Möglichkeit einer WM-Teilnahme 2026 nicht zu gefährden. Was antworten Sie auf diese Ratschläge?
Antwort: Jeder darf seine Meinung haben und preisgeben. Ich persönlich probiere, an meine Leistungen aus dem Vorjahr anzuknüpfen. Natürlich weiß ich um die gestiegene Erwartungshaltung. Nichtsdestotrotz bewahre ich mir immer eine gewisse Gelassenheit und habe das Selbstbewusstsein zu sagen, dass ich - wie schon vor meinem Wechsel zum VfB - überraschen kann.

Frage: Inwiefern haben Sie Bedenken, in der englischen Premier League nicht durchzustarten, sich in diesem neuen Land vielleicht nicht wohlzufühlen?
Antwort: Sorgen nicht, aber klar ist das eine größere Umstellung, etwas Neues für mich. Ich bekomme und gebe mir die Zeit, auch wenn es mein Preisschild von 75 Millionen wahrscheinlich schwerer zulässt. Ich bin immer gut damit gefahren, Schritt für Schritt meinen Weg zu verfolgen. So wird es auch dieses Mal sein.

Frage: Welche Bedeutung hat der Schritt nach Newcastle in Ihrem Karriereplan?
Antwort: Es ist ein Riesenschritt, ein ganz neues Leben und ein Abenteuer für mich. Ich freue mich einfach wahnsinnig. Ich darf neue Erfahrungen auf dem höchsten Niveau sammeln, mich mit den Besten messen. So wie ich das Umfeld bisher kennengelernt habe, kann ich das voll genießen und will das Maximale herausholen. Der erste Eindruck von den Fans ist unglaublich. Das ist nicht weniger krass als in Stuttgart. 

Leistungsexplosion innerhalb eines Jahres

Frage: Wie erklären Sie sich ihre Leistungsexplosion seit dem ablösefreien Wechsel von Werder Bremen über die Nicht-Berücksichtigung für den Champions-League-Kader der Stuttgarter?
Antwort: Ich bin drangeblieben, habe hart gearbeitet, bin immer kritisch mit mir selbst gewesen und habe auch auf Details geachtet. Das hat mich auf den richtigen Weg gebracht. Dazu ein gewisses Selbstbewusstsein und Vertrauen in meine Fähigkeiten. Und einfach versucht, mir meine lockere Art zu bewahren. Das alles immer mit der Unterstützung meines persönlichen Umfeldes und meiner Trainer.

Frage: Nachdem Bundestrainer Julian Nagelsmann über den Wechsel Ihres Mitspielers Malick Thiaw nicht begeistert war, welche Worte hat er an Sie gerichtet?
Antwort: Bisher noch keine. Mir und ihm sind neben Spielzeit konstant gute Leistungen sehr wichtig. Das ist auch in Newcastle mein Ziel. Grundsätzlich sind wir immer wieder im Austausch und haben über verschiedene Situationen gesprochen. Ich schätze sein offenes Ohr und freue mich über sein Vertrauen. Dieses positive Gefühl hat mir geholfen, meine Leistungen zu stabilisieren und Entscheidungen zu treffen. Schlussendlich bin ich aber selbst dafür verantwortlich, weiterhin eingeladen zu werden. Dafür werde ich alles geben.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.