Der Jäger des Bombers

Hoffenheims Stürmer Vedad Ibisevic befindet sich auf den Spuren des Bombers Gerd Müller. Wie ein Psychologe ihm dabei half.
von  Abendzeitung

Hoffenheims Stürmer Vedad Ibisevic befindet sich auf den Spuren des Bombers Gerd Müller. Wie ein Psychologe ihm dabei half.

HOFFENHEIM Nein, markige Sprüche, dafür ist er nicht zuständig. Sollen andere machen. Vedad Ibisevic überlegt genau, bevor er den Mund aufmacht. Man sieht es ihm an, wie er aus den vielen Gedanken in seinem Kopf einen herausgreift, um ihn in Worte zu formen. „Es ist natürlich erschreckend", sagt der Angreifer, der wie kein anderer Spieler den Höhenflug der TSG 1899 Hoffenheim verkörpert, „wie viele Tore dieser Herr Müller geschossen hat." Dann macht er eine kleine Pause und sagt: „Es macht mich stolz, was er gesagt hat, aber es kann nie mein Ziel sein, diesen Rekord zu brechen."

Nichts bringt ihn aus der Ruhe. Auch nicht dieser „Herr Müller", also Gerd Müller, der einstigen Bomber der Nation. Der schwärmte kürzlich über den Antritt des Bosniers, seinen Instinkt und den Zug zum Tor, um dann zu schlussfolgern: Dieser Ibisevic, ja, der könnte seinen eigenen historischen Rekord von 40 Toren aus der Saison 1971/72 knacken, jedenfalls würde er ihm dazu gratulieren. Ibisevic, der Jäger des Bombers. Mit jedem Tor kommt er dem Bomber der Vergangenheit ein Stückchen näher.

„Was Gerd Müller da sagt, ist natürlich ein Ritterschlag", bemerkt Jan Schindelmeiser, der Manager der TSG 1899. Er holte Ibisevic, von dem Franz Beckenbauer heute sagt, dass er gut zu Bayern passen würde, im Sommer 2007 von Alemania Aachen nach Hoffenheim. Zu einem Zeitpunkt, als es schlecht lief und Beckenbauer noch nie von einem Ibisevic gehört hatte.

„Am Anfang war es schwer für mich“, erinnert sich der Bosnier, der schüchterne Kerl, der damals den Mund kaum aufbekam und gerade mal fünf Tore in der Zweiten Liga erzielt hatte. Möglichkeiten hatte er viele, doch von seinem Knipser-Gen war damals keine Spur zu erkennen. Ibisevic, der Chancentod, der verhinderte Torjäger von trauriger Gestalt.

Erst Hans-Dieter Herrmann, der Psychologe im Trainerstab von Ralf Rangnick, richtete ihn auf. „Wir haben damals oft miteinander gesprochen, er hat mir sehr geholfen", erinnert sich Ibisevic. Und dann war da noch der Teamgeist, das Zusammenhalten, was Rangnick das „Gefühl des Gebrauchtwerdens" nennt. Das Kollektiv stützt den Einzelnen. Davon profitierte in Hoffenheim keiner so sehr wie der Bosnier. Sogar dem Neuzugang Demba Ba, seinem direkten Konkurrenten, half er bei der Integration. „Ich wusste ja wie schwer es sein kann, wenn man neu dazu kommt", sagt er. Heute hat er den Senegalesen Ba sogar überflügelt.

„Meine Eltern haben mich zu sozialem Verhalten erzogen“, erklärt Ibisevc. Seine Eltern und der Krieg in seiner Heimat Bosnien. Damals kickte er inmitten von Ruinen, in seiner Heimatstadt Tuzla. Bis er mit seinen Eltern fliehen musste, zunächst in die Schweiz, von dort aus zu Verwandten in die USA. Er bekam ein Stipendium für die Universität in St. Louis und hatte auch damals einen Lauf: 18 Tore schoss er für das College-Team, allerdings in 22 Spielen. Scouts lockten das Talent zu Paris St. Germain, eine sportliche und persönliche Odyssee begann über Paris und Dijon und Aachen.

In Hoffenheim kam er endlich an. „Hier habe ich Ruhe“, sagt er und erklärt: „Ich will hier unbedingt bleiben.“ Und was ist mit den Träumen, einmal für Real, ManU oder doch den FC Bayern zu spielen? „Die Zeit der Träume ist bei mir vorbei", sagt Ibisevic und zögert, um diesen Gedanken in seinem Kopf festzuhalten: „Ich weiß jetzt, dass ich nicht träumen, sondern einfach immer an mir weiterarbeiten muss.“

Reinhard Keck

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