Der FC Bayern in Not: Louis auf Distanz

Van Gaal leidet nicht nur unter der Vorbereitung. Auch der Kader, vor seiner Vertragsunterschrift zusammengestellt, passt ihm nicht. Am liebsten hätte der Bayern-Trainer acht neue Spieler.
von  Abendzeitung
Mit der Gesamtsituation unzufrieden: Bayern-Trainer van Gaal und sein Assistent Jonker (l.) blicken skeptisch.Foto: GES/Augenklickl
Mit der Gesamtsituation unzufrieden: Bayern-Trainer van Gaal und sein Assistent Jonker (l.) blicken skeptisch.Foto: GES/Augenklickl © az

MÜNCHEN - Van Gaal leidet nicht nur unter der Vorbereitung. Auch der Kader, vor seiner Vertragsunterschrift zusammengestellt, passt ihm nicht. Am liebsten hätte der Bayern-Trainer acht neue Spieler.

Samstag noch, das eine Spiel noch. Dann endet für Louis van Gaal seine zweimonatige Saison-Vorbereitung. Wie nett, dass zum Abschluss der knapp neun Wochen der Meister VfL Wolfsburg in die Allianz Arena kommt und 69000 Fans das sehen wollen.

Eher unangenehm ist für alle Beteiligten von der Säbener Straße, dass in jener Vorbereitung tatsächlich schon sieben Punkte in drei Spielen auf der Strecke geblieben sind. Bei einer weiteren Niederlage droht der Rückstand auf einen der enteilenden Klubs bereits auf acht Zähler anzuwachsen. Van Gaal hatte stets betont, dass für ihn die Vorbereitung- und Kennenlernphase über den tatsächlichen Bundesliga-Start hinausgehe. Er ist nicht der erste Trainer der so etwas ins Kalkül zieht, auch nicht der erste beim FC Bayern. Es darf eben nur nicht schief gehen wie momentan und schon sprechen die Bosse von „einer gefährlichen Situation“. Das Miteinander, die Taktik, die verschiedenen Trainingsformen, die unterschiedlichen Systeme – freilich muss alles Gute Weile haben. Nur mit der Weile ist es beim FC Bayern nicht so gut bestellt. Nach Wolfsburg folgt die erste Zäsur der Vorrunde, ein Pflichtspiel wegen der Länderspielpause erst zwei Wochen später. So hat van Gaal Zeit für eine erste Bilanz. Um sein Sieb anzusetzen. Lucio und Borowski waren die ersten, die durchgerutscht sind. Viele Spieler werden folgen – ob zur Winterpause schon oder im WM-Sommer. Denn van Gaal will einkaufen. „Das Personal neu zu sortieren, ist ein wichtiger Bestandteil meiner Philosophie“, sagte er und deutete an, dass seine Transfers aus der holländischen Ehrendivision, Daniel Pranjic und Edson Braafheid, nur der Anfang sind: „Ich hatte fast noch keinen Einfluss auf die Spielerkäufe bei Bayern und ich habe das Team noch nicht personell nach meinen Vorstellungen durchmischen können.“

Aus dem Umfeld des Trainers war zu erfahren, dass er mit dem vorhandenen Kader nur partiell zufrieden ist, die Wunschformation für die kommende Spielzeit am liebsten auf bis zu acht Positionen verändern würde. Kaufwut statt Rotation – ein Rezept, mit dem der 58-Jährige bei seinen Stationen als Vereinstrainer tatsächlich Erfolg hatte. „Das habe ich auch in Alkmaar gemacht. Oder im ersten Jahr bei Barcelona, da waren viele Spieler über 30 Jahre alt - im zweiten Jahr habe ich das Personal neu gemischt, dann war Guardiola mein Kapitän, und wir wurden wieder Meister.“ Vor allem bei Barcelona hatte der Coach die Hollandisierung vorangetrieben, vor der ersten Saison kamen drei (Hesp, Reiziger, Bogarde), nach einem Jahr fünf (die De-Boer-Zwillinge, Kluivert, Cocu und Zenden) Landsleute.

Als der Vertrag mit van Gaal im Mai fixiert wurde, war der Großteil der Neueinkäufe getätigt. Olic vom HSV etwa, oder der Ex-Gladbacher Baumjohann, der von einst von Jupp Heynckes empfohlen wurde und nun bei Scholls Drittligakickern mitmachen muss – auch die zwei teuersten Deals waren eingefädelt. Daher sagt van Gaal geradeheraus: „Mit den Einkäufen von Gomez und Timoschtschuk habe ich nichts zu tun. Ich habe nur Pranjic und Braafheid geholt. Alles andere war vor meiner Zeit. Zé Roberto wollte ich gerne behalten, aber er ging, bevor ich kam.“

Die Fakten stimmen. Es ist legitim, dies so anzumerken. Dennoch schafft man zugleich als Coach auf diese Weise Distanz zu manchen Spielern und zum Management – und zugleich, siehe die verlängerte Vorbereitung, den Ansatz zu einer Ausrede, wenn’s mal nicht so laufen sollte.

Patrick Strasser

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