Dante: Meine Odyssee zum Profi

München – Die Frage, die mir mein Vater stellte, war eine klare Entweder-oder-Frage. Da gab es kein Ausweichen, kein Jein, kein Vielleicht. Sie lautete: „Dante, du musst dich entscheiden: Fußball oder Musik? Was willst du im Leben? Wo willst du hin? Welchen Beruf willst du ergreifen? Fußballer oder Musiker?“
Ich war gerade 15 Jahre alt und mir nicht sicher. Meine zwei großen Leidenschaften waren der Fußball und die Samba, doch ich neigte etwas mehr in Richtung Fußball. Papa betonte nur, dass ich die Schule auf jeden Fall beenden solle, der Rest stehe mir dann frei. Ich sollte mir einfach klar darüber werden, was ich wollte, und mich dann voll und ganz darauf konzentrieren, um meinen Lebensunterhalt damit verdienen zu können. Keine einfache Frage.
Der Wunsch, Profifußballer zu werden, war letztlich doch größer – und wohl auch das Talent. Ich wollte mein Ziel unbedingt erreichen, daher auch all das harte Lauftraining mit meinem Onkel Jonílson. Mein Ehrgeiz wurde von Monat zu Monat größer. Ich wollte es allen beweisen – auch meiner Familie, da es immer hieß, mein Cousin Bureco, der in Portugals zweiter Liga unter Vertrag stand, sei der bessere, talentiertere Spieler. Also musste ich es über Fleiß und harte Arbeit schaffen.
Schon früher, wenn ich mich mit Alexandre, Lazaro, Manga und Bizinho zum Kicken getroffen hatte, war ich meist der Erste, der beim Treffpunkt war, und der Letzte, der nach Hause ging. Wir haben uns stets gegenseitig angetrieben, auch das hat mich besser und besser werden lassen. Neid kannten wir untereinander nicht.
Obwohl er meist nicht körperlich anwesend war, da er in Belém lebte und arbeitete, half mir mein Vater in dieser Zeit sehr. War Onkel Jonílson mein Fitnesstrainer, dann war Papa João so etwas wie mein Mentalcoach. Als Hobbykicker war er früher selbst Abwehrspieler gewesen, aber darum ging es nicht. Er half mir in langen Telefonaten und persönlichen Gesprächen, mich richtig einzuschätzen, meinen Weg zu gehen.
„Du kannst es schaffen“, sagte er und schärfte mir ein: „Alles ist möglich, Junge! Egal, was dir die Leute sagen. Hör nur auf die Leute, die für dich wichtig sind, die Trainer, die echten Freunde, die Familie. Du musst aber auch Ratschläge annehmen und dazulernen wollen. Du darfst nie glauben, dass du schon gut genug bist. Es geht immer mehr. Mach immer einen Schritt nach dem nächsten!“
Weil ich beim Galícia Esporte Clube nach meiner Knieverletzung so schlecht behandelt worden war, wollte ich mir einen neuen Verein suchen. Dafür musste ich zu verschiedenen Probetrainings und mit dem Bus quer durch ganz Brasilien reisen. Natürlich hatte ich damals mit 15 Jahren keinen Berater oder Agenten, ich war auf mich allein gestellt, spürte aber, dass mehr in mir steckte. Schnell war mir auch klar, dass meine Zukunft nicht in Bahia lag, nicht in meiner Heimatstadt Salvador. Hier kam ich nicht weiter, hatte schon alles versucht.
Meine Mutter erinnert sich heute noch an den Moment, als ich eines Abends im Wohnzimmer saß und sagte: „Mama, ich muss hier weg. Ich muss einen anderen Verein finden, egal wo in Brasilien.“ Natürlich macht das einer Mutter erst einmal Angst, doch sie antwortete ganz ruhig: „Okay, wenn das dein Weg ist, dann mach es. Ich glaube an dich!“
Das Vorspielen bei den Vereinen fand stets in den Schulferien statt. Scouts und Beobachter reisen quer durchs Land, um irgendwo Talente aufzutreiben, die sie dann gegen eine Provision an interessierte Klubs vermitteln können. Mein erstes Probetraining hatte ich bei einem kleinen Verein, bei der Sociedade Esportiva Matsubara im Bundesstaat Paraná. 52 Stunden saß ich im Bus, um in die Stadt Cambará, südwestlich von São Paolo, zu kommen. Die Busfahrt hatte mir Papa bezahlt, Mama hatte mir Sandwiches eingepackt, dazu hatte ich umgerechnet 20 Euro bei mir.
Es war brutal, kaum hatte der Bus Salvador verlassen, bekam ich Heimweh. Natürlich wollte ich stark und erwachsen sein, aber ich war ja doch beinahe noch ein Kind. Am liebsten hätte ich geweint, aber vor den anderen Passagieren wollte ich mir dann doch keine Blöße geben. Außerdem wusste ich ja, warum ich das alles auf mich nahm. Jemand hat einmal ausgerechnet, dass es in ganz Brasilien nur einer von 500 Jugendspielern schafft, Profi zu werden. War mein Traum also ein aussichtsloses Unterfangen?
Im Jahr 2000 hatte ich dann mit 16 Jahren das erste Erfolgserlebnis: Eine Saison konnte ich in der Jugend des Capivariano Futebol Clube spielen. Dort in Capivari, in der Nähe von São Paulo, lernte ich sehr nette Leute kennen. Eltern von Jugendlichen, die auch um einen Vertrag kämpften, haben mich hin und wieder zu sich nach Hause zum Mittagessen eingeladen. Eines Tages bin ich einem Scout von Juventude bei einem großen Jugendturnier aufgefallen. Das war endgültig die Wende zum Guten. So kam ich 2001 zum Esporte Clube Juventude, nach Caxias do Sul, in eine 400000-Einwohner-Stadt im Bundesstaat Rio Grande do Sul, knapp 3000 Kilometer südlich von Salvador, unweit der Grenze zu Uruguay. Das bedeutete: 60 Busstunden von meiner Heimatstadt entfernt.
Mit 18 Jahren durfte ich einige Spiele in der Profimannschaft von Juventude machen, trainiert habe ich damals schon immer mit den Besten – allerdings noch ohne Profivertrag. Der Vertrag, den ich dann nach meiner Rückkehr bei den Profis unterschrieb, war fünf Jahre gültig. Nun konnte meine Karriere so richtig beginnen.