Berthold: "Barcelona gilt es zu schlagen"
AZ: Herr Berthold, als alter Eintrachtler gehen Sie sicher mit gemischten Gefühlen in das Spiel gegen den FC Bayern. Wie nah ist Ihnen Ihr Ex-Klub noch?
THOMAS BERTHOLD: Da ich da meine Jugendzeit verbracht habe, ist das schon was anderes als bei anderen Vereinen, bei denen man als Profi gespielt hat. Von daher verfolge ich schon die Thematik rund um den Klub.
Wie geht’s Ihnen damit? Eher nicht so gut, oder?
Was soll man da noch sagen? Es wird ja Gründe haben, warum sich die Eintracht so entwickelt hat. Ein großes Thema ist sicher, dass die Jugendabteilung unter dem Dach des e.V. läuft, nicht unter dem der Profis. Da baut man für viel Geld ein neues Nachwuchsleistungszentrum – und meldet kurz darauf die zweite Mannschaft ab. So ein Verein wie die Eintracht braucht einen guten Nachwuchs. Ab und zu mal einen hochziehen oder teuer verkaufen, das ist ja auch ein Geschäftsmodell für so einen Verein.
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Die Eintracht steht auf Platz 17 – und muss jetzt auch noch zu den Bayern.
Das ist ja ein Bonus-Spiel. Da geht’s nur um Schadensbegrenzung. Man muss ja auch aufs Torverhältnis achten. Insofern besteht da am Samstag schon Gefahr. In München sind schon viele Mannschaften mit drei, vier, fünf Stück unter die Räder gekommen. Die K.o.-Spiele für die Eintracht kommen danach: gegen die direkten Konkurrenten Hoffenheim, Darmstadt und am letzten Spieltag in Bremen. Mit neun Punkten aus diesen Spielen würden sie sich nochmal aus dem Schlamassel ziehen.
Dass es so schlimm kommt, hätten Sie vor der Saison auch nicht gedacht, oder?
Unter Thomas Schaaf war man Neunter – dann ging der auf einmal, weil er vom Verein keine Rückendeckung mehr gespürt hat. Müsste man auch mal recherchieren, was da los war. Der hat sich immerhin noch die Spiele der Jugend angeschaut! Dann kam die Rückholaktion Armin Veh – das Ergebnis kennen wir. Und jetzt muss Niko Kovac sehen, dass er in den letzten sieben Spielen das Beste daraus macht.
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Ziemlich undankbarer Job...
Definitiv. Andererseits: Der ist jung und unverbraucht, kann da rangehen, ohne auf andere Themen Rücksicht zu nehmen. Man kann ihm nur die Daumen drücken. Und jetzt fällt Alex Meier auch noch länger aus! So ein wichtiger Spieler! Die haben keinen vergleichbaren, was die Torquote angeht.
Zum Saisonende steht auch noch der Abschied von Heribert Bruchhagen an, dem Vorstandsvorsitzenden. Steht die Eintracht vor einem radikalen Wandel?
Da stehen mehrere Themen auf der Agenda. Einen neuen Trikotsponsor braucht man auch noch. Es macht monetär ja einen Unterschied, ob man in der ersten oder zweiten Liga spielt.
Wer folgt Bruchhagen nach?
Keine Ahnung. Ich habe nur gelesen, wer alles abgesagt hat.
Die Liste ist wahrscheinlich länger als die der Bewerber...
Christian Nerlinger ist da mal gehandelt worden. Oder Christoph Metzelder – aber der ist erst 35. Hat mich schon gewundert, dass er über die Medien abgesagt hat.
Reden wir lieber über die Bayern! Was ist da heuer noch zu erwarten?
Benfica Lissabon ist im Champions-League-Viertelfinale ja machbar. Die Mannschaft, die es zu schlagen gilt, ist Barcelona. Die machen über die Saison gesehen den besten Eindruck. Zehn Punkte vor Real Madrid: Das ist ‘ne Hausnummer! Auch in der Champions League waren die so souverän, dass man nie den Eindruck hatte: Denen kann einer was! PSG ist auch unbequem. Die haben sich verbessert, sind lauf- und zweikampfstark. Und Real muss man immer auf der Rechnung haben. Das sind die Teams, die sich mit Bayern vom Rest absetzen. Bei den Engländern muss man sich schon die Frage stellen, was die mit dem ganzen Geld anstellen. Das steht ja in gar keiner Relation mehr.
Wird spannend, wenn der Bald-Engländer Pep Guardiola ganz viel Geld ausgeben kann.
Das ist ein Riesen-Projekt für ihn, aber eins ist auch klar: Ab 1.7. hat er einen ganz anderen medialen Druck als in München. Und dann auch noch Erzrivale Jose Mourinho in der gleichen Stadt: Das ist schon ein enormer Druck. Und die Medien haben da eine andere Macht, gerade die TV-Sender, die die Rechte haben. Die sagen den Vereinen schon, wo der Hammer hängt.
Wie sehen Sie Guardiolas Abschied von Bayern?
Der war drei Jahre da und hat in der Zeit gezeigt, dass er die Mannschaft weiterentwickelt hat, auch die einzelnen Spieler, von Mario Götze mal abgesehen. Aber sonst sind drei Jahre bei großen Klubs ja schon viel. Ich glaube, dass ihn an Manchester City vor allem die größere Einflussnahme reizt.
Frei von den Rummenigges, Sammers und Hoeneß’ dieser Welt.
Das ist ein anderes Geschäftsmodell, mit einem Chairman. Zwar gibt es da noch die zwei mächtigen Spanier im Verein, aber letztlich wird es Guardiola sein, der entscheidet, wer geht und wer kommt.
Eine Transfer-Panne wie der Verlust von Toni Kroos wird ihm dort nicht passieren.
Richtig. Dort kann er eine Art Doppelfunktion einnehmen, ohne acht Mal Rücksprache zu halten. Wobei: Das Modell Bayern mit den kompetenten Leuten im Vorstand finde ich schon richtig. Wenn nur einer den Verein führt und es funktioniert nicht, dann haben Sie auch ein Problem. Eigentlich muss ein Klub die Philosophie vorgeben – und den passenden Trainer dazu holen.
Passt Carlo Ancelotti?
Ein super Trainer! Italiener! Ein Internationaler, war bei fast allen großen Klubs in Europa und in den großen Zeiten des AC Mailand selbst ein großer Spieler. Ein ganz anderer Typ als Pep, viel kommunikativer. Mit dem werden die Medien mehr Spaß haben.
Apropos Spaß: Wie schlimm wird’s nun am Samstag für Ihre Eintracht gegen Bayern?
Ganz ehrlich: Mit einem 3:0 wäre ich sehr dankbar und würde einen Haken dran machen.