Beckenbauer: „Schnell und schön“

Ehrenpräsident Franz Beckenbauer lobt die Spielweise der Bayern – und warnt zugleich: „Man soll aufpassen mit Komplimenten“
AZ: Herr Beckenbauer, Ihre Bayern hängen gerade in der Bundesliga die Konkurrenz locker ab und begeistern, so wie beim 3:0 über den HSV, mit Zauberfußball. Es passt also fast alles, oder?
FRANZ BECKENBAUER: Naja, man muss sagen, das sieht alles schon sehr, sehr gut im Moment aus. Mir hat die Reaktion gefallen. Da verliert man gegen Leverkusen und Fußball-Deutschland denkt schon, noch eine Niederlage, dann wird die Liga wieder spannend. Und dann spielen die Bayern gegen Hamburg ganz locker auf. Da wird schnell gespielt, aggressiv gespielt, schön gespielt. Das war Klasse, das hat Spaß gemacht anzuschauen. Das war souverän, das war beeindruckend.
Ihr alter Weggefährte Paul Breitner scheute nicht mal den Vergleich mit dem FC Barcelona...
Die sind schon noch ein bisschen besser eingespielt als die Bayern. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wobei auch Barcelona zu packen ist, keine Frage. Aber man soll da auch aufpassen mit den Komplimenten. Wir haben es ja in der Champions League gegen Borisow gesehen. Das war eine ernste Warnung, diesen Test haben sie nicht bestanden. Vielleicht wird die Bundesliga in der Hinsicht ein bisschen überschätzt. Vielleicht können Mannschaften wie Borisow, die jetzt nicht so den attraktiven Namen haben, die Bayern manchmal ganz anders fordern, als es Mannschaften wie Wolfsburg oder Hamburg können.
Wie wichtig wird Arjen Robben wieder werden?
Das wird sich zeigen. Es ist ja nicht so, dass er das Fußballspielen verlernt hat. Man weiß ja, wie wichtig er für die Bayern war, warum soll er es nicht wieder werden?
Und wie wichtig wird der 40-Millionen-Mann Javi Martinez? Ist diese Ablösesumme auch Druck für den Spieler?
Ich sage es so: Es ist doch nur bedrucktes, buntes Papier, was anderes ist es nicht. Man sollte da nicht so viel Aufhebens drum machen.
Bayern-Coach Jupp Heynckes ist fast genauso alt wie Sie. Hätten Sie ihm diesen Elan noch zugetraut?
Er macht das gut, hat auch gute Leute, die ihn unterstützen. Der Trainerjob hat sich gewandelt, früher gab es einen Cheftrainer, eine Assistenten, einen Torwarttrainer. Heute gibt es einen Spezialtrainer für den linken Verteidiger, einen für den rechten, fast jeder Spieler hat seinen eigenen Coach. Als Cheftrainer sollte man einen gewissen Hang zum Entertainment haben, das gehört heute dazu.
Entertainment und Jupp Heynckes, das hat man früher nicht unbedingt in einem Atemzug genannt.
Aber was soll er machen, ihm bleibt doch nichts anderes übrig. Man kann ja heute nicht mehr wie Ernst Happel sagen: Macht's was wollt's, schreibt's was wollt's, das interessiert mich nicht.
Das klingt aber auch nach Beckenbauer früher.
Ja, vielleicht. Der Heynckes hat ja den Sammer an seiner Seite, das passt gut, der nimmt ihm viel ab, das wirkt recht harmonisch.
In Deutschland gibt es seit der EM die Diskussion um echte Kerle, ist Bastian Schweinsteiger ein echter Kerl?
Der hat fast 100 Länderspiele, die kriegt man nicht geschenkt, das hat er sich erarbeitet. Er ist schon ein echter Kerl, einer, der auch den Ball fordert, wenn es nicht so läuft, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Auch mal das Wort ergreift. Das passt schon. Man hat ja gesehen, wie es bei Bayern nicht mehr lief, als Schweinsteiger in der vergangenen Saison ausgefallen ist. Mir als Teamchef wäre es immer am liebsten gewesen, wenn ich elf Kapitäne auf dem Platz gehabt hätte. Dass jeder für seinen Aufgabenbereich Verantwortung übernimmt, aber das gibt es eben nicht. Deswegen muss es eben Führungsspieler geben, die dann in die Bresche springen, wenn es bei anderen nicht so läuft. Das macht er schon gut.
Louis van Gaal hat jetzt noch mal gegen Bayern gegiftet.
So schlimm war das doch nicht, was er gesagt hat. Er hat halt eine andere Meinung, die soll er auch haben.
Sie haben sich aus vielen offiziellen Funktionen zurückgezogen, wie geht’s dem Privatmann Beckenbauer damit?
Bestens! Das ist schon ein Gewinn an Lebensqualität. Wenn man so wie ich kurz vor der WM 2006 330 Reisetage im Jahr hat, das macht man nicht lange mit. Ich habe mich zurückgezogen, und das ist auch gut so. Es läuft auch ohne mich. Allein mit meinen Kindern, die sind jetzt 9 und 12, und meiner Frau beim Frühstück zusammen zu sitzen, das bringt mir ungemein viel. Die Entscheidung, mich zurückzuziehen, macht für mich jeden Tag mehr Sinn.