Bayerns van Gaal: Immer noch ein Suchender

Louis van Gaal probiert sich beim FC Bayern weiter aus. Bei der Aufstellung, beim Umgang mit den Spielern und auch bei der Außendarstellung hat er seine Position noch nicht gefunden
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„Natürlich vertrage ich Kritik", sagt Bayern-Trainer Louis van Gaal, „ich höre jeden Tag auf meine Spieler und setze um, was sie sagen.“ Foto: Bongarts/Getty Images
Rauchensteiner/Augenklick „Natürlich vertrage ich Kritik", sagt Bayern-Trainer Louis van Gaal, „ich höre jeden Tag auf meine Spieler und setze um, was sie sagen.“ Foto: Bongarts/Getty Images

Louis van Gaal probiert sich beim FC Bayern weiter aus. Bei der Aufstellung, beim Umgang mit den Spielern und auch bei der Außendarstellung hat er seine Position noch nicht gefunden

MÜNCHEN Um zu verstehen, was für ein Typ Louis van Gaal ist, muss man nur zu früh kommen. Wenn eine Pressekonferenz mit dem Holländer um 13 Uhr beginnen soll, dann beginnt sie um 13 Uhr. Neulich war van Gaal ein paar Minuten zu früh im Raum. Er setzte sich und schwieg. Er zeigte auf die Uhr, noch zwei Minuten. Sturheit, gar Pedanterie? eher Respekt vor den Kollegen, die noch nicht da sind. Kommt einer der Reporter hingegen zu spät, trifft ihn ein kurzer Blick aus den Augenwinkeln. Van Gaal mag keine Zuspätkommer.

Van Gaal hat rinzipien. Er ist korrekt, ein Kontrolltyp. Er will alles wissen, nur keine Fehler machen. Der 58-Jährige verpasst keinen Geburtstag einer Spielerfrau oder der Zeugwarte, kennt die Namen der Kinder aller Profis. Das ist sein ganzheitliches Prinzip. Van Gaal hat eine klare Linie. Beim FC Bayern fahndet er noch danach. Er ist ein Suchender.

Worum es dabei geht:

Eine konstante Aufstellung

15 Pflichtspiele haben die Bayern in dieser Saison absolviert – mit 15 unterschiedlichen Aufstellungen. Was einerseits an den Verletzten (Toni, van Bommel, Demichelis, Ribéry, Robben, Olic), andererseits an van Gaals Freude an Experimenten liegt: Erst Rensing, dann Butt im Tor. Mal eine Spitze, mal zwei, dann drei. Lahm rechts, Lahm links. Ein Sechser, Doppelsechs. Mal Pranjic, mal Braafheid. „Ich gehe streng nach dem Leistungsprinzip“, sagt van Gaal, „nach dem, was ich im Spiel und im Training beobachte.“ Fehlende Konstanz? Man könnte auch sagen: angemessene Flexibilität. Da wird Abwehrboss van Buyten gegen Frankfurt eben kurzfristig zum Stürmer in der Not.

Der Umgang mit den Spielern

"Ich trainiere sehr gern in Deutschland“, sagt van Gaal, „denn in Deutschland ordnen sich die Spieler unter. Sie machen, was man ihnen sagt. In Holland denken die Spieler viel mehr über das Team nach. Auch über die Taktik. Das ist nicht gut. Das ist meine Aufgabe.“ Er ist der Chef, der Dominante. Die Bayern-Bosse wollte nach der Ära des Spielerfreunds Jürgen Klinsmann eine harte Hand, einen Fußball-Lehrer, einen Fachmann, der ein Team formen soll. „Wir hatten bei seiner Verpflichtung ein sehr gutes Gefühl. Das ist bestätigt worden", sagt Franz Beckenbauer nun. Tage zu vor hatte er ihm attestiert, „ein klein bisschen ratlos“ zu sein. Er sei noch auf der Suche, besonders im Umgangston. Beim FC Barcelona und in der holländischen Nationalelf hatte er Probleme mit manchem Topstar, bei Bayern murrten bereits Ribéry, Toni und Gomez. „Natürlich vertrage ich Kritik", sagt van Gaal, „ich höre jeden Tag auf meine Spieler und setze um, was sie sagen.“

Am Ende aber sollen sie seine Maxime als die bessere erachten. Getreu dem Motto: Hab’ ich’s euch doch gesagt. Er überfordere die Mannschaft, dieser Vorwurf kam von ARD-Experte Günter Netzer wie von Ex-Bayern-Coach Udo Lattek. In Krisenzeiten – wie früher bei Barca – statuierte van Gaal, damals mit den renitenten Stoitschkow, ein Exempel zur Abschreckung und bezieht seine Vertrauensspieler mehr und mehr mit ein.

Die Außendarstellung

„Er erscheint unnahbar und selbstherrlich“, urteilte Netzer. Arrogant eben. Was van Gaal als Auszeichnung sieht, wurde zum medialen Bumerang. Nach knapp vier Monaten nahm er sich etwas zurück, der Vorstand begrüßte das demütige Auftreten. Bescheidenheit, Umgänglichkeit sei nun gefragt. Damit nicht am Ende seiner Bayern-Zeit ein Buch erscheint wie das von Edwin Winkels über die Barcelona-Jahre. Es trägt den Titel: „De eenzame kampioen“, der einsame Champion.

Patrick Strasser

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