Interview

Bayern-Spielerin Simone Laudehr: "Mal Superman, mal Buhmann"

Endlich Meister? Vor dem Topspiel gegen Wolfsburg spricht Bayern-Star Simone Laudehr in der AZ über ihren letzten noch fehlenden Titel, die Probleme im Frauenfußball - und ihre Pläne nach der Karriere.
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Perfekte Schusshaltung: Nicht umsonst hat Bayern-Star Simone Laudehr in ihrer Karriere fast alles gewonnen. Nur die deutsche Meisterschaft fehlt ihr noch - noch!
Perfekte Schusshaltung: Nicht umsonst hat Bayern-Star Simone Laudehr in ihrer Karriere fast alles gewonnen. Nur die deutsche Meisterschaft fehlt ihr noch - noch! © IMAGO / Sports Press Photo

München - AZ-Interview: Die gebürtige Regensburgerin Simone Laudehr (34) hat bereits zweimal die Champions League gewonnen und hat auch mit dem FC Bayern in der Bundesliga beste Titelchancen.

AZ: Frau Laudehr, erst vor ein paar Tagen das Champions-League-Aus, jetzt am Sonntag das Topspiel gegen den VfL Wolfsburg, das die Meisterschaft entscheiden könnte. Wie ist da die Gefühlslage?
SIMONE LAUDEHR: Ich spiele schon seit 15, 16 Jahren in einem konstanten Rhythmus, wo solche Finalspiele die Höhepunkte der Saison sind. Das ist schön, denn das heißt, dass man bisher erfolgreich gespielt hat und fast bis zum Ende in den Wettbewerben dabei ist. Mir persönlich geht es gut, ich habe die letzte Zeit sehr genossen. Es ist mein letztes Jahr und zum Glück haben wir noch drei Spiele.

Simone Laudehr: "Ich wurde trainiert für den Perfektionismus"

Also ist das für Sie positiver Stress?
Ich bin es gewohnt. Ich wurde trainiert für den Perfektionismus, was eigentlich schlecht ist, denn wenn man perfekt ist, kann man nur hinfallen. So fängt man an, sich abzukapseln, auch vom Stress. Mich belastet das nicht, aber ich weiß auch, wie man mit solchen Niederlagen umgehen muss, weil ich oft genug hingefallen bin.

Sie wirken sehr abgehärtet.
Ich habe nach Abpfiff am Sonntag keinen Freudensprung gemacht und gesagt: "Scheiß drauf, ich bin ja schon zwei Mal Champions-League-Siegerin geworden." Natürlich wäre ich gern mit der Mannschaft ins Finale gekommen. Die Mädels sind noch jung, sie müssen vielleicht erst das durchmachen, was ich durchgemacht habe. Die letzten 15 Jahre waren nicht einfach, vor allem, wenn man so im Fokus steht, Leistung bringen muss.

Simone Laudehr: "Man lebt mit diesem Adrenalin"

Was war nicht einfach in den vergangenen 15 Jahren?
Der Fußball war immer das, was ich geliebt habe und was ich immer noch liebe. Damals musste ich mich für Fußball oder Tennis entscheiden. Ich habe mich für Fußball entschieden, weil es ein Mannschaftssport ist. Aber es gibt eine Ebene, auf der kämpft man für sich selbst. Man will in die Nationalmannschaft, in einem Spiel die Beste sein, in jedem Spiel die Beste sein. Der Weg, damit man eine der Besten wird in seinem Verein, in Deutschland, international, bedarf eines konstant hohen Trainings- und Leistungsniveaus. In einem Moment ist man der Superman, im nächsten der Buhmann. Von diesem Stress muss man sich lösen. Das können viele Sportler nicht.

 Simone Laudehr: "In vielen Berufen gibt es einen wahnsinnigen Druck"

Wie haben Sie das geschafft? Auch mental?
Gute Frage. Ich habe mich immer gezwungen. Fußball ist ja eine andere Welt, Männer und Frauen sind beide in einem anderen Film, Männer noch mehr. Deshalb fällt es so vielen Sportlern schwer, aufzuhören. Man lebt mit diesem Adrenalin.

Es klingt aber auch nach großer Erleichterung, wenn es vorbei ist.
Wie die Mannschaft beim FC Bayern tickt, wäre ich gern ein bisschen jünger, weil es so viel Spaß macht. Aber ich möchte es meinem Körper nicht antun. Es ist auch schön, mal am Wochenende aufzustehen und ein Topspiel anzuschauen, statt selbst einen professionellen Alltag zu haben. Ich kann den Rest der Bevölkerung verstehen, der sagt, "Ihr habt ein Leben!" Ja, stimmt. Zumindest die Männer verdienen Millionen, und wir können uns auf einem hohen Niveau etwas zurücklegen. In vielen wirtschaftlichen Berufen, als Anwälte, Ärzte gibt es einen wahnsinnigen Druck. Aber auch Sportler müssen sich ständig abliefern.

 Simone Laudehr: "Viele sehen nicht, was die Mädels auf sich nehmen"

Ist es aus dieser Sicht ein Vorteil, nicht so im Rampenlicht zu stehen als Fußballerin?
Ich wünsche mir mehr Professionalisierung im Frauenfußball. Ich wünsche mir, dass die Medien und Sponsoren aufmerksamer werden. In England haben sie einen Weg gefunden, wie Frauen- und Männermannschaften zusammenarbeiten. Wir haben Magenta. Wer kauft sich Magenta, um Frauenfußball schauen zu können? Man muss es zugänglicher machen. Ich würde mir wünschen, dass die Mädels Vollzeitprofis sein können. Viele sehen nicht, was die Mädels auf sich nehmen. Die sind so viel unterwegs wie ich, aber wie viel verdienen die Mädels von Sand? Für ein paar tausend Euro netto sollte man kämpfen.

Simone Laudehr im DFB-Trikot: 2019 beendete sie ihre Karriere im deutschen Nationalteam.
Simone Laudehr im DFB-Trikot: 2019 beendete sie ihre Karriere im deutschen Nationalteam. © imago images/Action Pictures

Wo hapert es sonst noch?
Hier in Deutschland geht es nur um Fußball. Ich würde auch mal gern Ringen, BMX oder Schach sehen. Und Fußball nicht nur auf Sky, das können sich viele nicht leisten.

 Simone Laudehr: "Die Mannschaft wird sich weiterentwickeln"

Fußball ist der populärste Sport. Damit können die TV-Sender am meisten Geld verdienen.
Das ist okay, aber man sollte auch anderen Sportarten eine Chance geben. Fußball wäre nicht so populär, wären die Einschaltquoten mies. Mit einem guten Konzept könnte man so eben die Chancen für den Frauenfußball erhöhen.

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Was ist Ihre Einstellung für das Topspiel gegen Wolfsburg?
Wir wollen gewinnen, wir wollen die Meisterschaft. Aber die Mädels können unglaublich stolz sein auf das, was sie erreicht haben. Die Mannschaft wird sich weiterentwickeln, und die Titel werden kommen. Das braucht seine Zeit.

Diese Mannschaft steht kurz vor dem Meistertitel, sofern Wolfsburg nicht dazwischenfunkt. Wie gehen Sie in die letzten Spiele
Ich denke noch nicht an das, was kommen kann, wenn der Schiedsrichter abpfeift. Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Es ist ein Spiel wie jedes andere. Man wird nicht erschossen, wenn etwas in die Hose geht. Aber wir haben das Feuer.

 Simone Laudehr: "Ich bleibe beim FC Bayern"

Für Sie wäre es nach so vielen Jahren die erste Meisterschaft bei so vielen anderen Titeln. Finden Sie das nicht auch ein bisschen kurios?
Naja, ich war oft kurz davor. Ich habe viele andere tolle Titel gewonnen, bin Weltmeisterin geworden, habe eine Olympische Goldmedaille, bin zweimal Europameisterin geworden. Ich will die Zeit mit den Mädels genießen. Wir habend das Feuer im Blut.

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Worauf freuen Sie sich am meisten nach der Saison?
Es fällt mir unheimlich schwer, dass ich nur noch drei Spiele habe. Wenn ich am 7. Juni aufwache, werde ich mir wohl denken: "Oh, das war es schon", weil gefühlt gestern die WM 2007 war. Ich freue mich auf meine Familie, auf ein bisschen Urlaub. Dann kommt ein neuer Lebensabschnitt. Ich habe viel für den Frauenfußball getan. Ich hoffe, dass ich den jungen Mädels bei Bayern einiges mitgeben konnte. Aber ich bleibe beim FC Bayern. Wahrscheinlich werde ich dazu wie ein wild gewordenes Huhn durch den Englischen Garten laufen und ein paar Fußballbegeisterte abgrätschen.

Ihr neuer Job ist beim FC-Bayern-Museum, wo Sie schon mal ein Praktikum gemacht haben. Was machen Sie da?
Es geht viel um Marketing, Management und Events. Als ich reingeschnuppert habe, hat mir das sehr gut gefallen. Natürlich hätte ich auch gern einen Platz im Trainerteam der Frauen bekommen. Für mich war Bayern einfach schon immer mein Verein. In meinem Kinderzimmer war früher alles rot-blau-weiß.

 

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