Andries Jonker: Ein halber Louis
Als Trainer nahezu identisch, als Typ völlig konträr: So tickt Jonker, der Nachfolger van Gaals. „Ich brauche keine Philosophie”
München - Andries Jonker nahm sich die Zeit. Zwei weibliche Fans hatten ihn nicht sofort erkannt und fanden dann in ihrer Aufregung, als der Holländer vor ihnen stand, die Seite im Poesie-Büchlein nicht. Jonker schritt zur Tat. Die letzte Seite, die er umblättern musste, zeigte Louis van Gaal. Jonker schlug seine Seite auf und sagte, während er das Autogramm schrieb, freundlich: „Dieser Mann ist das.”
Seit Juli 2009 ist dieser Mann beim FC Bayern, als Adjutant von Louis van Gaal. Seit Sonntag hat er dessen Posten übernommen. Und nun, von Neu-Chef zu Ex-Chef, setzte sich der 48-Jährige dafür ein, dass sein Mentor wie die anderen entlassenen Stabmitglieder Hoek, van Dijk und Reckers am Montagvormittag noch einmal an der Säbener Straße zur Verabschiedung vorbeikommen durften. Jonker habe „ein „komisches Gefühl, dass die Gruppe auseinandergefallen ist”.
Van Gaal erschien gegen 10.15 Uhr, holte seine Unterlagen aus dem Trainerbüro und verabschiedete sich vom Team. Um 10.50 Uhr war die Ära van Gaal endgültig vorbei: Er winkte ein paar Fans aus seinem goldenen Dienstwagen und fuhr davon.
Wie viel van Gaal steckt nun in Jonker? 50 Prozent. Er ist der halbe Louis. Kurz gesagt: Als Trainer nahezu identisch, als Typ völlig konträr.
DER TRAINER JONKER
Er hat mit van Gaal in Barcelona und beim holländischen Verband zusammengearbeitet, half ihm bei seinem Buch „Vision & Biographie”. Nun will er die Arbeit seines Chefs weitestgehend weiterführen. „Louis van Gaal hat hier viele Sachen sehr gut gemacht”, sagte Jonker am Montag. Welche? Das führte er nicht aus. Das Training am Montag unterschied sich kaum von früheren Einheiten – es ging höchstens etwas lautstärker, also kommunikativer zur Sache. Als erste Maßnahme zog er den Trainingsbeginn auf 10 Uhr vor, van Gaal war Spätaufsteher. Inhalte sind derzeit eher sekundär. „Ich brauche keine Spieler in fünf Spielen auszubilden”, betonte Jonker, „ich brauche keine Philosophie”. Seine Platz-drei-Rhetorik lautete: „Ich muss mit den Fans, mit dem Vorstand, mit meinem Stab und mit den Spielern die Champions-League-Qualifikation erreichen. Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir das!” Frischer Wind und die richtige Motivation, das sind seine Aufgaben.
DER TYP JONKER
Er sei als Typ „gerade heraus” sagte er, die direkte Kommunikation wichtig. Er habe die Spieler in seiner „bemerkenswerten Antrittsrede” (Rummenigge) am Sonntag darauf hingewiesen, dass „meine Tür immer offen steht”. Er will den Dialog fördern, nicht so autoritär wie van Gaal erscheinen, durch dessen Auftreten „die Aktionen der Spieler von Angst begleitet” waren, so Hoeneß. Jonker ist ein eher stiller Arbeiter, völlig konträr zum eigenwilligen, teils großkotzigen van Gaal. „Ich bin ich”, hatte der in seiner Antrittrede am 1. Juli 2009 geprahlt, „Selbstbewusst, arrogant, dominant, ehrlich, arbeitsam, innovativ, aber auch warm und familiär.” Was alles zutraf – am Ende war er vor allem: stur und erfolglos. Jonker hingegen will sich mit dem Vorstand austauschen und „ihre Meinung hören”. Etwa in der Torwartfrage?
Übrigens holte er sich gemäß seines Charakters telefonisch den Segen seines Ex-Chefs für den Job ab. Erst dann sagte er zu.
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