Allianz-Arena-Chef erklärt: Darum gibt es (wohl) keinen weiteren Ausbau
AZ: Herr Muth, pünktlich zum 20. Geburtstag erlebt die Allianz Arena mit dem Champions-League-Finale sowie dem Halbfinale und Finale der Nations League binnen einer Woche ein Event-Triple. Sind Sie schon nervös?
JÜRGEN MUTH: Nein, ich bin entspannt. Unser Team hat genügend Erfahrung, dass wir Veranstaltungen in dieser Größenordnung professionell und erfolgreich abwickeln. Wir liegen bei allen Vorbereitungen im Plan, deshalb gibt es keinen Grund, warum ich nervös sein sollte.
Aufgrund der Sanierung des Olympiastadions findet auch erstmals ein Großkonzert in der Arena statt, Ende Juni kommt Guns N‘ Roses. Wie aufwendig und anspruchsvoll wird die Umrüstung?
Wir haben schon vorgesorgt und die Umbaumaßnahmen längst abgeschlossen. In der Planung war klar, dass wir durch die EM 2024 und das Champions-League-Finale 2025 – von der Nations League wussten wir damals nichts – gar nicht in der Lage wären, jetzt noch umfangreiche Umbaumaßnahmen zu realisieren. Wir sind ready to go!
"Allianz Arena auch nach 20 Jahren eines der besten Stadien der Welt"
20 Jahre Allianz Arena: Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine seit der Eröffnung?
Ich habe ja das große Glück und die Ehre, dass ich die kompletten 20 Jahre miterleben durfte. Mir kommen vor allem drei Highlights in den Sinn. Zunächst einmal sind wir immer noch stolz darauf, dass wir die Zuschauerkapazität in drei Schritten von ursprünglich 66.000 auf 75.000 erhöhen konnten. Außerdem freuen wir uns sehr, dass die Südkurve wieder ein reiner Stehplatzbereich ist – das war über viele Jahre nicht der Fall. Und der dritte große Schritt: Durch den Auszug des TSV 1860 konnten wir 2018 ein echtes FC-Bayern-Stadion schaffen.
20 Jahre sind eigentlich ein stolzes Alter für ein Stadion, aber die Allianz Arena wirkt, als wäre sie ein neues Gebäude.
Da gilt mein großer Dank dem FC Bayern München, der immer die Notwendigkeit sieht, dass man solch eine Immobile nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln muss. Das sehen wir genauso, denn Stillstand wäre Rückschritt. Deshalb ist die Allianz Arena auch nach 20 Jahren eines der besten Stadien der Welt.
Allianz-Arena-Chef Muth erklärt, wie sich Fan-Erwartungen verändert haben
Wie hat sich die Erwartungshaltung des Stadionbesuchers über die 20 Jahre verändert?
Ich denke, das ist eine Generationenfrage. Einerseits müssen wir die Wünsche der Jüngeren mitnehmen, da ist Digitalisierung sicher ein ganz großer Stichpunkt: Die Fans dürfen und können erwarten, mit ihren sozialen Medien verbunden zu bleiben. Ich persönlich käme nie auf die Idee, während eines Fußballspiels in den sozialen Medien zu sein, andere halten sie für ein unverzichtbares Tool. Wir haben das große Glück, dass wir mit der Telekom als FC-Bayern-Partner in diesem Bereich von Beginn an sehr stark waren und die Technik konsequent weiterentwickelt haben – sei es, was 5G, die WLAN-Infrastruktur oder den Mobilfunk angeht.
Wie verhält es sich mit älteren oder körperlich eingeschränkten Fans?
Ein sehr wichtiger Punkt. Stolz macht uns die Einbindung von benachteiligten Menschen, etwa Geh- oder Sehbehinderten. Und grundsätzlich ist es unser Ziel, mit den Anpassungen dazu beizutragen, einer immer älter werdenden Fan-Generation den Stadionbesuch solange es geht zu ermöglichen.
Neben der Digitalisierung, die Sie schon angesprochen haben: Sind Faktoren wie Nachhaltigkeit und Komfort weitere zentrale Innovationsfelder?
Das Allerwichtigste ist für mich immer Sicherheit. Bei uns sind 75.000 Menschen im Haus, dafür tragen wir eine große Verantwortung. Darüber hinaus freut mich, dass Nachhaltigkeit unsere Fans wirklich interessiert, gemeinsam sind wir in einem sehr guten Prozess. Der Komfort-Anspruch ist heute sicher auch ein anderer als vor 20 Jahren. Hier ist uns wichtig, die entsprechenden Einrichtungen zu schaffen – etwa in der Gastronomie, bei sanitären Anlagen oder beim Einlass. Dort arbeiten wir anstelle einer Körperkontrolle jetzt mit hoch modernden Scannern, vergleichbar zum Flughafen. Auch das ist ein Komfort-Merkmal: Dass man schneller und einfacher ins Stadion kommt.

Weiterer Allianz-Arena-Ausbau? Schwer vorstellbar…
Was passiert in der Arena, wenn der Ball ruht?
Wir führen jährlich Hunderte von Veranstaltungen außerhalb des Spielbetriebs durch – von Kongressen über Produktpräsentationen bis zu Firmenfeiern. Im Vorjahr waren auch über 500.000 Gäste im FC Bayern Museum und auf Stadiontour. Unser Betrieb ist absolut vergleichbar mit den meisten anderen Museen, weil unseren Besucherinnen und Besuchern mit dem FCB-Fanshop und einer Gastronomie von Do & Co das ganze Jahr über zusätzliche Angebote zur Verfügung stehen.
Halten Sie es für denkbar, dass es einmal Hotels in der Arena gibt?
Ich würde niemals nie sagen. Bei jedem Champions-League-Spiel des FC Bayern sind die Hotels in der Stadt ausverkauft, dementsprechend könnte es für uns ein Potenzial darstellen. Momentan ist das Thema nicht auf der Tagesordnung, aber für die Zukunft – wer weiß? Ich schließe gar nichts aus.
Auch nicht eine weitere Erhöhung der Zuschauerkapazität – oder ist das technisch machbare Limit erreicht? Die Nachfrage wäre auf jeden Fall da, jedes Bayern-Heimspiel ist überbucht.
Noch einmal die Kapazität zu erhöhen, würde bedeuten, dass wir mit der aktuellen Baukonstruktion nicht mehr zurechtkommen. Das heißt: Es wäre ein Aufwand, der aus meiner Sicht in einem krassen Missverhältnis zum erwartbaren Zuschaueraufkommen stehen würde. Zudem wären wir mit einem zusätzlichen vierten Rang noch einmal 15 Meter höher, da ginge es dann auch um die Qualität der Sitzplätze – unabhängig von der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit. Und natürlich müssten wir sehen, ob ein solches Aufkommen überhaupt mit der Verkehrsinfrastruktur vereinbar wäre. Es gibt nur eine U-Bahn-Linie, auch die Straßenkapazität ist begrenzt. Insofern sehe ich eine nennenswerte Kapazitätserhöhung über 75.000 gerade nicht.
Allianz Arena: "Der Innenraum ist perfekt, da brauchen wir nichts zu verbessern"
Inwiefern trägt die Arena zum Image Münchens bei, auch über den Fußball hinaus?
Ich lebe seit 1984 hier. Wer den Münchner Norden damals kennengelernt hat, der weiß, dass er nicht sehr repräsentativ war – da hat die Arena als großes Einfahrtstor erheblich zur Attraktivität beigetragen. Der FC Bayern und die Allianz Arena sind ganz große Tourismusfaktoren, ich freue mich über jede Postkarte, auf der unsere Arena als Sehenswürdigkeit abgebildet ist. Und ich glaube schon, dass München stolz darauf sein darf, was im Norden der Stadt entstanden ist.
Das Olympiastadion verließ der FC Bayern damals nach 33 Jahren. Was denken Sie: Wo steht die Allianz Arena in weiteren 20 Jahren?
Ich bin davon überzeugt, dass die Grundsubstanz der Arena so gut ist, dass wir alle Entwicklungen mitmachen können. Übrigens ist diese Substanz auch deswegen so gut, weil wir 2006 das einzige WM-Stadion waren, das komplett auf der grünen Wiese und entsprechend den damals bereits hohen Anforderungen entstanden ist. Das Zweite ist: Ich kenne keinen Stadioninnenraum, bei dem die Fans auch im dritten Rang eine so gute Sicht aufs Spielfeld haben. Der Innenraum ist aus meiner Sicht perfekt, da brauchen wir nichts zu verbessern. Auch die Kunststoffkissen haben sich bewährt, und ich sehe keinen Grund, dass sich daran etwas ändert. Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass das Fan-Erlebnis in 20 Jahren anders sein muss als heute.
Die Arena und die Autobahn: "Sehr glücklich, dass Sichtschutz nie kam"
Wie blicken Sie eigentlich auf die Stadien anderer Top-Klubs?
Aktuell baut Barcelona ja sein Camp Nou um, Manchester United hat Pläne, Chelsea auch. In diesen Plänen ist nichts dabei, wovon ich sage, dass wir das lieber gestern als heute bräuchten. Es sind eher Dinge, bei denen wir uns fragen, ob und wie wir sie realisieren wollen. Aber das sind keine Must-haves, um die Allianz Arena in den nächsten 20 Jahren erfolgreich betreiben zu können.
Vielleicht werden in 20 Jahren ja die Spiele direkt auf die Außenhaut der Arena illuminiert…
Es bleibt spannend (lacht). Schon heute geht auf dieser Fassade erheblich mehr als 2005, bedingt durch die LEDs.
Das ist ohnehin der vielleicht beeindruckendste Sprung: Bei der Eröffnung konnten drei Farben auf der Fassade dargestellt werden, Rot, Blau und Weiß. Heute sind es surreale 16 Millionen Farben.
Die Sehgewohnheiten der Menschen haben sich verändert. Auch das ist ein Grund, warum wir mit der Fassade anders spielen können: Weil sich unsere Augen an ganz andere Dinge gewöhnt haben. Dazu könnte ich noch eine kleine Anekdote erzählen.
Gerne!
Wir haben in der Planungszeit vor Inbetriebnahme der Arena diskutiert, ob es einen Sichtschutzzaun bedarf, damit man diese beleuchtete Fassade von der Autobahn nicht sieht. Es gab die Sorge, dass sie die Autofahrer ablenken könnte – und diese Sorge war ja auch verständlich. Ich bin natürlich sehr glücklich, dass dieser Sichtschutz nie gekommen ist und wir mit allen Beteiligten bis heute der Meinung sind, dass sich eine beleuchtete Fassade durchaus mit einer Autobahn verträgt.
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