Aggressionsforscher: Darum hat FC Bayern schlechtere Karten

"Nationale Braut vs. europäisches Topmodel": Gegen den BVB sind die Bayern laut dem Aggressionsforscher Jens Weidner Außenseiter.
von  Patrick Strasser
Arjen Robben war der tragische Held des Abends. Er verschoss einen Elfmeter gegen Roman Weidenfeller. Dortmund schlug die Bayern mit 1:0.
Arjen Robben war der tragische Held des Abends. Er verschoss einen Elfmeter gegen Roman Weidenfeller. Dortmund schlug die Bayern mit 1:0. © firo Sportphoto

"Nationale Braut vs. europäisches Topmodel": Gegen den BVB sind die Bayern laut dem Aggressionsforscher Jens Weidner Außenseiter.

AZ: Herr Weidner, was sagt Ihnen als Aggressionsforscher der Begriff Angstgegner im Sport? Die Bayern haben zuletzt vier Mal hintereinander gegen Dortmund verloren. Alles nur Mythos oder wirklich eine Kopfbremse?

JENS WEIDNER: Nein, kein Hirngespinst. Und wenn es schlecht läuft: eine Kopfbremse. Angst kommt vom lateinischen Begriff „Angustiae”, was Enge bedeutet. Enge in der Brust. Wenn diese Enge auftritt, drücken Brustmuskeln den Brustkorb zusammen, verhindern die freie Atmung. Es schnürt einem die Luft ab. Für Profisportler stellt das ein extremes körperliches Handicap dar. Wenn man einen Angstgegner vor der Brust hat, kann das aber auch positiv genutzt werden.

So? Wie denn? Was sollten sich die Bayern-Profis vor dem Pokalfinale zu Herzen nehmen?

Angst kann gesund sein, es macht einen Menschen wach und kampfbereit, es werden Endorphine ausgeschüttet. Die Angst muss dann durch Erhöhung über den Gegner kompensiert werden – man will mindestens auf Augenhöhe sein oder besser noch Überlegenheit symbolisieren. Die Bayern müssen sich entsprechend im Vergleich zu den Dortmundern überhöhen, obwohl sie diese Negativserie haben.

Wie können die Bayern diese Erhöhung im Vorfeld herstellen? Der BVB hat gerade seinen Titel in der Bundesliga souverän verteidigt.

Die Dortmunder haben national eine brillante Saison gespielt, und doch gelten sie mit dem Ausscheiden in der Vorrunde der Champions League international als komplette Versager. Der Status quo lautet: Bayern steht im Finale um die Krone Europas, Dortmund ist im internationalen Vergleich zweite Wahl.

Die Bayern-Fans spüren das, sie singen: „In Europa kennt euch keine Sau!”

Man kann es kaum prägnanter formulieren. Das geschieht intuitiv, weil die Fans spüren: unsere Mannschaft ist gegen den BVB in Not. Die Profis wie die Fans müssen sich über solche Kampfansagen stark reden. Wäre nicht das Finale gegen Chelsea eine Woche später, würden es die Bayern-Bosse in dieser Frage ebenfalls richtig krachen lassen.

Es ist jedoch ruhig an der Hoeneß-Front.

Klar, denn gegenüber Chelsea hat das Pokalfinale nur Zwergen-Format: Berlin ist schön, Europa ist schöner! Die Spieler werden nicht 100 Prozent geben, denn man darf keine Schlüsselspieler durch Verletzung verlieren. Der BVB dagegen ist extrem motiviert, sie haben noch nie das Double gewonnen. Daher spricht verdammt viel für Dortmund. Verlieren die Bayern in Berlin, fällt der Trost leicht, sie haben ja noch das Spiel der Spiele vor sich. Das Finale gegen Chelsea im eigenen Stadion ist für ein Sportlerleben einmalig. Berlin ist eine hübsche nationale Braut, die Champions-League aber das europäische Topmodel. Wo würden Sie Ihre Prioritäten setzen?

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