"Fast alle brauchen eine Operation": Ex-Football-Star gibt Einblicke in die NFL

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AZ: Herr Werner, rund acht Jahre ist es her, dass Sie Ihre Karriere beendet haben, einen Super Bowl haben Sie nicht gewonnen. Ihr Trikot ist aber trotzdem ein Verkaufsschlager im NFL-Shop. Wie erklären Sie sich das?
BJÖRN WERNER: Sagen wir es so: Wenn ich das als Rentner meinen Kindern noch erzähle, können sie das vermutlich nicht nachvollziehen. Aber es ist wirklich eine lustige Geschichte, weil ich damit gerechnet habe, dass es passiert. Deshalb haben mein Management und ich die NFL bearbeitet. Es ging da nicht nur um das Geld, weil ich am Ende ohnehin nur ein paar Euro pro Trikot bekomme. Ich wollte es einfach schaffen, dass mein Trikot zum Verkaufsschlager wird. Dass es funktioniert hat, macht mich natürlich stolz. Es ist nicht selbstverständlich, weil so ein Trikot viel Geld kostet. Ich liebe es, solche Geschichten zu schreiben. Das Geilste waren die Hasskommentare. Viele meinten, die Verkaufszahlen würden von der NFL Deutschland für Marketingzwecke verfälscht - was vollkommener Quatsch ist.
"Es gibt Ärzte, die für NFL-Spieler ein Zentrum aufbauen"
Sie wurden 2013 in der ersten Runde des NFL-Draft von den Indianapolis Colts ausgewählt. Wie heiß waren Sie damals so kurz vor dem Saisonstart?
Sehr heiß. Wenn du aus dem College kommst, hast du keine Pause. Du bist erst beim Combine, dann im Draft und im Training. Du kannst also mental nicht abschalten, während die NFL-Spieler Pause haben. Nach diesen ganzen Stationen kommt man als Rookie an den Punkt, dass man endlich im Stadion spielen will. Bei Rookies sagt man auch, dass sie in Woche neun oder zehn die Rookie-Wand brechen, weil sie davor so mental erschöpft sind und dann erst Leistung zeigen können.
Wie bereitet sich so ein NFL-Spieler auf die Saison vor? Täglich 10.000 Kalorien, Fitness Studio und Taktikeinheiten?
Ich bin zweimal mit einer Verletzung aus der Saison gegangen. Ich musste also erstmal für eine kurze Zeit zum Arzt. Es gibt da Ärzte, die für NFL-Spieler ein Zentrum aufbauen. Dort trifft man sich dann mit vielen anderen Spielern, weil fast alle nach der Saison eine Operation brauchen. Du wirst also erstmal vom Arzt wieder zusammengepflastert und gehst dann in die Reha und ins Training. Was die Ernährung betrifft: Ich konnte gar nicht so viel essen, dass ich zunehme, weil ich so viel trainiert habe. Aber es gab tatsächlich ein paar Schwergewichte in der Verteidigung, die sich laut ihren Verträgen wiegen mussten und wenn sie zu schwer waren, ein paar Tausend Dollar Strafe zahlen mussten.

Werner sieht die Kansas City Chiefs und die Philadelphia Eagles als Favoriten auf den Super Bowl
Schauen wir auf die aktuelle Saison. Welche Teams haben sich im Sommer am besten verstärkt?
Das ist schwer zu sagen. Es haben so viele Schlüsselspieler die Mannschaft gewechselt. Aber die Chicago Bears haben ihr Offensivproblem gelöst, indem sie im Draft ordentlich in ihren Angriff investiert haben. Und mit Ben Johnson haben sie jetzt einen Cheftrainer, der ein echter Quarterback-Guru ist. Das kann nur gut werden.
Wird in diesem Jahr der Super Bowl trotzdem nur über die Kansas City Chiefs und die Philadelphia Eagles gehen?
Zu 100 Prozent. Solange Patrick Mahomes bei den Chiefs spielt, ist er in der AFC derjenige, den es zu schlagen gilt. Die Buffalo Bills und die Baltimore Ravens bekommen die Chiefs dauerhaft einfach nicht unter Kontrolle. An der Stelle muss man sagen: Es ist unfassbar, welche Energie Mahomes mitbringt. Auch die Arbeit von Coach Andy Reid ist gigantisch. Junge Spieler kommen bei denen rein und spielen sofort eine wichtige Rolle. Man muss aber auch sagen, was die Eagles mit den Chiefs im Super Bowl gemacht haben, war unglaublich. Deswegen ist Philadelphia in der NFC Favorit. Wobei man schon sagen muss, dass es um Lichtjahre schwerer ist, den Super Bowl zu verteidigen, als ihn zum ersten Mal zu gewinnen. Die Eigenmotivation muss noch höher sein.

"Die LA Rams könnten schon überraschen"
Und welche Teams könnten in dieser Saison für eine Überraschung sorgen?
Die Los Angeles Rams könnten schon überraschen. Sie hatten vergangene Saison mit Verletzungen zu kämpfen und hätten die Eagles fast geschlagen. Ihre junge Defensive ist schon brutal. Wenn die gesund bleibt, werden sie in ihrer Division durchmarschieren und könnten sogar Philadelphia schlagen. In der NFL gilt übrigens oft: Wenn keiner an dich glaubt, spielst du den besten Football.
Für Sie persönlich steht neben dem Super Bowl ein zweites Highlight an: Das Berlin Game. In Ihrer Heimatstadt trifft Ihr ehemaliges Team, die Colts, auf die Atlanta Falcons. Was bedeutet das für Sie?
Wäre irgendein NFL-Spiel in Berlin und ich dürfte dabei sein, wäre es schon geil. Aber dass die Colts jetzt ihr Heimspiel dort haben, das packt einiges an Geilheit drauf. Nochmal besser macht es, dass ich als Global Ambassador der Colts im Hintergrund involviert bin. Dieses Spiel ist also mein persönlicher Super Bowl. Es wird nie wieder so etwas für mich geben. Im Olympiastadion habe ich angefangen, die NFL Europe zu schauen und erstmals von der NFL-Karriere geträumt.

Werner erachtet jedes NFL-Spiel als spannend
Für den neutralen Zuschauer ist es kein wirkliches Highlight-Spiel. Hätte nicht ein stärkerer Gegner nochmal mehr Strahlkraft?
Das ist das große Problem der NFL. Sie haben uns im ersten Jahr Tom Brady gegeben und im zweiten Jahr Patrick Mahomes. Bedeutet: Die größten Super-Stars der letzten zehn Jahre waren bereits in Deutschland. Bei allem, was danach kommt, stellt sich die Frage: Was ist dann noch ein gutes Spiel? Das regt mich wirklich auf, dass man jetzt bei jedem Team meckert. Fakt ist: Wir wurden in den letzten Jahren unglaublich verwöhnt. Vielleicht sind die Leute ein bisschen vom Fußball getrieben, aber in der NFL ist jedes Spiel spannend.
Generell ist es auch so, dass sich zahlreiche Fußballfans beschweren, dass der Sport kommerzialisiert und globalisiert wird. Die NFL-Fans kritisieren das nicht. Wieso?
Das habe ich in Deutschland noch nie verstanden. Jeder würde gerne ein Zehn-Euro-Ticket haben und Investoren sollen dem Sport fernbleiben. Dann frage ich mich: Wo soll das Geld herkommen? Das sind Traumwelten. Die NFL ist ein Business und die Bundesliga ist ein Business.

St. Brown wurde in Detroit mit einem 120-Millionen-Dollar-Vertrag ausgestattet
Schauen wir zurück auf das Spiel in Berlin. Bei den Colts spielt mit Maximilian Mang ein Deutscher. Denken Sie, er hat Chancen, in seiner Heimat aufzulaufen?
Rookies, die nicht gedraftet wurden, müssen tausendmal härter arbeiten, als die gedrafteten Rookies. Aber ich drücke ihm auf jeden Fall die Daumen. Das wäre für ihn ein unglaublicher Moment.
Insgesamt spielen neun Deutsche in der NFL. Der beste Deutsche ist Amon-Ra St. Brown. Was erwarten Sie in dieser Saison von ihm?
Auch wenn er sich als Deutscher identifiziert, ist es für mich ein Unterschied, weil er in Amerika aufgewachsen ist. Er ist durch das ganze amerikanische System gegangen. Das ist ein Vorteil gegenüber den anderen Deutschen. Deswegen ist der Vergleich nicht ganz fair. Amon-Ra ist einer der besten Receiver der NFL in den letzten fünf Jahren gewesen und hat einen 120-Millionen-Dollar-Vertrag. Das sagt alles.
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