Extremkletterer Glowacz im Interview

Stefan Glowacz zählt zu den besten Kletterern der Welt und erkundet die entlegensten Winkel der Erde. Am Freitag präsentiert er in Wolfratshausen seine Expeditionen.
Interview: Annette Wild |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
In der Wand fühlt sich Extremkletterer Stefan Glowacz am wohlsten.
Klaus Fengler In der Wand fühlt sich Extremkletterer Stefan Glowacz am wohlsten.

AZ: Herr Glowacz, was soll man da erwarten, wenn ein Kletterer einen Vortrag hält?
STEFAN GLOWACZ: Es wird nicht allein um das Klettern oder um sportliche Höchstleistungen gehen. Vielmehr werde ich versuchen, das Klettern, wie ich es auf einer meiner Expeditionen betrieben habe, kritisch zu hinterfragen.

Um welche geht es?
Mitte April 2011 bin ich nach Nepal aufgebrochen, um den 7030 Meter hohen Südgipfel des Gauri Shankar zu besteigen. Für mich war das eine neue Erfahrung. Bis dato war Höhenbergsteigen eine Disziplin, die ich noch nicht kannte. Bei der Besteigung bin ich böse gescheitert. Primär lag es am Wetter. Danach stellte sich mir aber die Frage: Hätte ich die Wand auch bei idealen Bedingungen geschafft?

Sind auch andere Expeditionen Thema?
Neben der Nepalexpedition werde ich außerdem zwei Kletter-Anläufe in Venezula schildern. Im Februar 2010 war der Roraima Tepui unser Ziel. Allein der Anmarsch zur Wand La Proa forderte uns alles ab. Ohne technische Hilfsmittel kämpften wir uns fast vier Wochen durch den Dschungel zum Einstieg. Der erste Versuch scheiterte. Vor dem zweiten Versuch erfuhr ich, dass mein langjähriger Kletterpartner Kurt Albert in der fränkischen Schweiz tödlich verunglückt war. Daher werde ich auf meinem Vortrag auch zwei Expeditionen mit ihm schildern. Es wird also kein klassischer Bergsteiger-Helden-Vortrag, sondern ich erlaube mir eher nachdenkliche Blicke hinter die Kulissen.

Sie sind oft monatelang unterwegs, klettern an den entlegensten Orten der Welt, die steilsten Felswände mit den höchsten Schwierigkeitsgraden. Mit Verlaub: Warum tun Sie sich das an?
Ich klettere jetzt seit 35 Jahren und es sind bestimmte Augenblicke, die ich immer wieder suche – Momente, in denen man nach einem anstrengenden Tag mit guten Partnern auf einem kleinen Biwak-Platz im Felsen sitzt und tausend Meter unter einem die Wand abbricht. Man blickt auf den Urwald von Venezuela, eine unglaubliche Wolkenstimmung. Diese Momente machen für mich den Reichtum des Lebens aus. Klettern ist für mich eine Lebensphilosophie. In den letzten Jahren ist mit den Expeditionen noch der Abenteueraspekt dazugekommen. Es geht nun auch darum, in Gebiete aufzubrechen, die bisher noch kein Kletterer erforscht hat.

Wie finanzieren Sie das?
Ich klettere nicht aus kommerziellen Gründen. Nur eine Handvoll Kletterer können von ihrer Leidenschaft wirklich leben. Ich bestreite meinen Lebensunterhalt, indem ich Vorträge halte, Bücher schreibe und Berater für Outdoor-Firmen bin. Außerdem habe ich eine Firma für Kletterschuhe und -ausrüstung.

Welche Charaktereigenschaften braucht man als Extremkletterer?
Man sollte sich in Geduld üben können, weil man letztendlich Spielball der Natur ist. Man kann nicht gegen die Natur arbeiten, man kann nur versuchen, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Als Widder will ich eigentlich immer, dass schon gestern passiert ist, was ich heute vorhabe. Das Bergsteigen ist für mich eine Schule fürs Leben, vor allem was Demut und Dankbarkeit angeht.

Wie viel Zeit sind Sie im Jahr unterwegs?
Ich breche so einmal im Jahr zu einer größeren Expedition auf. Je aufwändiger diese Expeditionen werden, desto mehr Zeit braucht man, um sich vorzubereiten, aber auch, um sich körperlich wie mental von ihnen zu erholen.

Geht man als Extremkletterer zur Erholung noch Wandern?
Ich hasse Wandern. Für mich bedeutet das nur, einen Weg zurückzulegen, um Klettern zu können. Erholung finde ich in alternativen Sportarten, zum Beispiel beim Kiten.

Bei Ihren Abenteuern sehen Sie unberührte Natur. Setzen Sie sich auch aktiv für den Schutz der Berge ein?
Wir haben im letzten Jahr in einer spektakulären Aktion gegen den Bau des „Skywalk” auf dem Osterfelderkopf bei Garmisch-Partenkirchen demonstriert. Wir konnten den Bau der Aussichtsplattform leider nicht verhindern. Aber wir haben während der Eröffnung unter dem Balkon ein Transparent mit der Aufschrift „Die Natur braucht keinen Geschmacksverstärker” entrollt. Ich verstehe die Sorgen und Nöte von Regionen, die primär vom Tourismus leben. Aber man kann auch einen behutsamen Tourismus betreiben. Wir müssen die Natur schützen und sie für nachfolgende Generationen erhalten.

Gibt es noch Herausforderungen für Sie?
Es gibt noch einige. Diese Wand in Nepal geht mir nicht aus dem Kopf. Ich muss wohl nochmal dorthin.

______________________________________
Vortrag „Stefan Glowacz – Expeditionen”
Termin: 11. November, 20 Uhr
Ort: Neue Loisachhalle, Wolfratshausen
sowie am 24.11. in Oberammergau
Infos: www.glowacz.de

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.