"Es ist ein Privileg, hier zu spielen"

MÜNCHEN Nach dem Spiel werden Freunde abgeklatscht, Freundinnen geküsst. Die neuen Löwen traben vom Kunstrasen auf dem Trainingsgelände. Die Zuschauer kennen die Spieler persönlich. Für diese ist ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen. „Der Großteil der Spieler ist seit Jahren Löwenfan”, sagt Arnold Geißler, Teammanager der neuen 3. und 4. Mannschaft des TSV 1860, die ab dieser Saison in der A- beziehungsweise C-Klasse antreten.
Die neuen Teams, die am Sonntag gegen die erste und zweite Mannschaft des italienischstämmigen U.S. Meroni-Itel antreten, finanzieren sich allein durch Mitgliedsbeiträge und eigene Sponsoren. Entsprechend ist für die Spieler die Liebe zum Verein ausschlaggebend. So auch bei Michael Dehoff: „Ich habe noch alte Autogrammkarten, zum Beispiel von Bernhard Winkler. Viele in meinem Umfeld haben gedacht, ich will sie verarschen, als ich gesagt habe, ich gehe zu den Löwen.” Eigentlich, erzählt er, wollte er gar nicht am Probetraining teilnehmen. Er fühlte sich wohl beim TSV 1860 Rosenheim, dachte nicht an die Chance bei seinem Traumverein. „Meine besten Freunde haben mich mitgenommen. Ich hatte aber nicht mal Trainingsklamotten dabei.” Schuhe, Stutzen, Schienbeinschoner, Hose – alles liehen ihm seine Freunde. Am Ende gehörte er zu den Glücklichen. „Es ist natürlich eine Ehre, das Löwentrikot zu tragen”, sagt Dehoff.
Andreas Kopfmüller ist mit 31 Jahren schon einer der Ältesten der neuen Truppe. Als spielender Co-Trainer spürt er eine besondere Verantwortung – auch dem Löwen auf der Brust gegenüber. „Es ist schon was anderes jetzt hier für Sechzig zu spielen als da drüben”, sagt Kopfmüller und schaut in Richtung Säbener Straße. Nicht zum FC Bayern, sondern eins weiter, dort trainiert der TSV Weiß-Blau Sechzgerstadion.
Bis zur letzten Saison spielte Kopfmüller dort, die neuen Löwen-Teams wurden erst durch eine Spielgemeinschaft mit WBS möglich. Kopfmüller ist Löwenfan seit – ja seit wann eigentlich? „Boah, keine Ahnung!” Er fasst sich an den Kopf. „Mindestens seit ich zehn bin.” Bei seinem schönsten Löwen-Erlebnis muss er nicht lange überlegen: „Der Derbysieg am 27. November 1999.” Ohne dieses Datum im Kopf braucht man sich vermutlich gar nicht bei Teammanager Geißler zu melden.
Allerdings nehmen die Spieler die Sache sehr ernst. „Man hat hier einen gewissen Druck, weil man 1860 repräsentiert. Es ist ein Privileg, hier zu spielen. Das ist nicht wie bei anderen Vereinen nur eine Zwischenstation”, meint Patrick Schneider. Am liebsten würde der 26-Jährige seine Karriere bei den Löwen beenden: „Ich bin alt, das hier ist meine letzte Station. Ich werde kein Profi mehr. Ich bin verheiratet, ich esse gut zu Hause – auch mehrmals am Tag”, sagt er und lacht.
Und was ist drin, mit den neuen Mannschaften? „Für die A-Klasse haben wir mit dem Kader keine Probleme, auch für ein paar Klassen höher nicht”, sagt Kopfmüller. Ganz klar: Der Aufstieg muss auf Anhieb her. „Etwas anderes geht gar nicht”, sagt Wasim El Kahadi. Der gebürtige Berliner mit tunesischen Wurzeln wohnt erst seit Februar in München, ist eigentlich Hertha-Fan. „Aber wenn Bayern gegen 1860 gespielt hat, war ich immer für die Löwen. 1860 ist mein zweiter Verein”, erzählt er. Immerhin.
So schnell wie möglich wollen die neuen Löwen aus der A-Klasse nach oben. Kopfmüller warnt jedoch: „Du kannst nicht einfach 50 neue Spieler holen und steigst automatisch auf. Chelsea will seit Jahren die Champions League gewinnen und schafft es nicht.”
Deshalb geht die Suche nach Verstärkungen weiter, ein öffentliches Probetraining wird es aber nicht mehr geben. Bis zum Winter schauen sich Geißler und Trainer Achim Kobahn um und laden einzelne Spieler zum Training ein.