Eishockey-Legende Hegen zum Olympia-Desaster: "Einfach nur schlecht"

AZ-Interview mit Dieter Hegen: Der jetzt 59-Jährige ist eine deutsche Eishockey-Legende, er spielte 106 Mal für Deutschland, nahm an fünf Olympischen Spielen teil, 2010 wurde er in die Ruhmeshalle des Eishockeys aufgenommen.

Dieter Hegen über Aus bei den Olympischen Spielen: "Haben vollkommen verdient verloren"
AZ: Herr Hegen, von wegen Medaillen, die deutsche Eishockeynationalmannschaft, die bei den Spielen 2018 noch sensationell Silber gewonnen hat, ist in Peking durch das 0:4 gegen die Slowakei bereits im Viertelfinal-Qualifikationsspiel gescheitert. Wie haben Sie die Auftritte der deutschen Mannschaft gesehen?
DIETER HEGEN: Was soll man dazu überhaupt sagen? Das war schlecht. Einfach nur schlecht. Das ganze Turnier hindurch war das nichts. Gar nichts. Und gar nichts ist noch zu viel gesagt. Wenn man in einem Spiel, in dem es um alles geht, so gar nicht präsent ist, dann stimmt was nicht. Wir haben vollkommen verdient verloren. Wir hatten ja fast noch Glück - die Partie hätte auch 0:7, 0:8 ausgehen können. Unser Torhüter Mathias Niederberger war doch der einzige, der noch Normalform hatte. Was der für Dinger noch rausgeholt hat, Respekt. Ohne ihn wäre es noch viel hässlicher geworden, als es eh schon war. Wenn bei einer 0:4-Niederlage der Torhüter der beste Mann ist, sagt das wirklich schon alles. Die Offensive hat nichts zustandegebracht, die Abwehr war die Bezeichnung nicht wert. Ich kann mich nur wiederholen: Es war einfach nur schlecht und schlimm.
Bis auf das Spiel gegen die USA waren alle Auftritte der deutschen Mannschaft bei diesen Spielen enttäuschend.
Ich kann auch dem Spiel gegen die Amis nichts abgewinnen. Freuen wir uns jetzt schon, wenn wir gegen ein Team, das fast ausschließlich mit College-Spielern antritt, mithalten können? Ist das jetzt plötzlich unser Anspruch? Nein, das ganze Turnier war nichts. Wir haben gegen die Kanadier 1:5 verloren, und hätten noch viel mehr Tore kassieren können. Wir verlieren gegen die amerikanischen College-Boys, sind gegen die Slowaken vollkommen chancenlos. Und gegen die Eishockey-Weltmacht China verspielen wir fast noch den Sieg. Ich verstehe es nicht.
Deutschen Eishockey-Spielern hat "Teamspirit" gefehlt
Eishockey-Weltmacht China - beißender Spott.
Was soll man sonst dazu sagen? Ich bin jetzt nicht nahe genug an der Mannschaft dran, aber so wie diese aufgetreten ist, drängt sich der Verdacht auf, dass es im Team oder im Umfeld nicht gestimmt hat. Es hat fast keiner seine normale Leistung gebracht. Ich kenne die Jungs. Jeder Einzelne von ihnen kann viel besser spielen. Aber das, was diese Mannschaft groß gemacht hat, der Teamspirit, der hat völlig gefehlt. Wir sind viel besser als das, was wir da gesehen haben. Wir haben fantastische Spiele vor vier Jahren bei Olympia in Pyeongchang gesehen, auch bei der letzten WM. Die Jungs können es. Wir sind viel näher an die Weltspitze rangekommen, aber dafür muss auch jeder alles zeigen. Ich denke, der Druck war den Jungs einfach zu groß.
"Diese Olympischen Spiele waren ein sehr harter Realitätscheck."
Den haben sich die Spieler aber vor allem selber gemacht.
Genau - und das kapier' ich nicht! Es wurde immer nur von Medaillen geredet und wie gut wir sind. Ich habe nicht eine Stimme gehört, die sagte, dass wir an einem guten Tag jeden schlagen können. Aber eben an einem guten Tag. Stattdessen immer nur Sprüche über Medaillen. Da hingen die Trauben aber viel zu hoch. Die Mannschaft ist an dem Druck, den sie sich selbst aufgebaut hat, gescheitert. Man kennt das ja: Wenn man so denkt und zwei Tore kassiert, werden die Beine schnell schwer, weil der Kopf nicht wirklich bereit ist. Diese Olympischen Spiele waren ein sehr harter Realitätscheck.
Sie sprachen an, dass Sie das Gefühl hatten, dass es im Team nicht gestimmt hat. Kann da der Fakt, dass die Zukunft von Bundestrainer Toni Söderholm unklar ist, eine Rolle spielen? Er wird immer wieder mit Vereinen aus der NHL in Verbindung gebracht.
Das kann ich so gar nicht als Grund akzeptieren. Was soll denn das heißen? Die spielen nicht für den Bundestrainer, sondern für Deutschland! Da erwarte ich, dass jeder in jedem Moment alles gibt - unabhängig davon, was mit dem Trainer ist. Klar, der hat die Mannschaft auch nicht richtig eingestellt gekriegt, aber die Schuld sehe ich bei denen, die auf dem Eis stehen. Sie haben es in der Hand. So wie bei diesem Turnier darf eine deutsche Mannschaft schlicht nicht auftreten. Punkt.