"Eine absolute Lachnummer"

Der vorerst gescheiterte Verkauf der Galopprennbahn in Riem sorgt für erhitzte Gemüter und jede Menge Ärger. Der Vizepräsident tritt zurück und bezeichnet die Angelegenheit als Lachnummer.
MÜNCHEN Nach viereinhalb Stunden Sitzungsmarathon sprach Hans-Gerd Wernicke laut aus, was ohnehin alle von diesem turbulenten Dienstagabend dachten: „So langsam artet das hier in eine absolute Lachnummer aus“, sagte der 80-Jährige um 23.30 Uhr in der Klubtribüne der Galopprennbahn Riem. Kurz zuvor war der Grundstücksverkauf der Trainierbahn für 64 Millionen Euro an Investor Erich Schwaiger abgelehnt worden. „Ich habe weiß Gott Besseres zu tun, als mich hier verunglimpfen zu lassen – deswegen trete ich als Vizepräsident zurück. Dieser Abend beschämt mich in derartiger Weise, dass ich am liebsten meine Pferde vom Standort München abziehen würde.“
Es waren die ersten Worte des finanzstarken Unternehmers bei dieser außerordentlichen Mitgliederversammlung des Münchener Rennvereins (MRV) – und sie fuhren auch den meisten Vorstandsgegnern durch Mark und Bein. Es wurde still im Saal. Wernicke ist mit rund 25 Pferden seines „Stall Salzburg“ das Aushängeschild des Galoppvereins, seine Worte haben Gewicht.
Die Ausgangslage war eigentlich klar: Dem MRV steht finanziell das Wasser bis zum Halse. Der Investitionsbedarf in die maroden Gebäude auf dem Gelände ist immens, der Kontostand sank seit April 2010 von 700 000 Euro auf unter 200 000 Euro. Eine Lösung muss her, dringend. Doch darum scherte sich niemand an diesem Abend – er verkam zu einem Theaterstadl persönlicher Eitelkeiten. Mitgebrachte Juristen warfen mit Paragrafen um sich, Tagesordnungspunkte wurden abgeändert und sogar über die Art des Wahlverfahrens abgestimmt. Schon früh war klar: Unabhängig jeglicher Sachfragen sollte Präsident Norbert Poth einen Denkzettel erhalten. Viele Mitglieder fühlen sich vom 72-Jährigen übergangen und werfen ihm Geltungssucht vor. „Sie haben die Satzung wissentlich gebrochen“ und „Wir wollen, dass der Vorstand zurücktritt“ – so schallte es Poth entgegen.
Doch Poth blieb. Er wischte alle Zwischenrufe beiseite. Nur seine obersten Mitstreiter opferten sich. Neben Wernicke kündigte auch Franz Knott seinen Rückzug an. „Eigentlich ist das ein Debakel für den Verein“, erklärte Poth nach der Sitzung. „Aber ich lasse meine Leute nicht im Stich, ich habe schließlich Verantwortung gegenüber den Menschen, die hier arbeiten.“
Poths Problem: Zwar weiß er die Mehrheit der Mitglieder hinter sich, für eine Dreiviertelmehrheit, die er für wichtige Entscheidungen benötigt, reicht es aber nicht. Alle Abstimmungen (bis auf den Antrag auf Geheimwahl) gingen für ihn also verloren, 61 der 81 anwesenden Stimmen hätte er benötigt. Für den notariell beurkundeten Kaufvertrag mit Investor Schwaiger bekam er gerade mal 34 Ja-Stimmen. Nun muss Poth vom Rücktrittsrecht Gebrauch machen und das Angebot für die 39,2 Hektar umfassende Trainierbahn ausschlagen. Auf den Notarkosten in Höhe von 119 000 Euro bleibt der MRV sitzen. Nicht wenig Geld für einen Verein, der jährlich rund 400 000 Euro Verlust macht.
Doch ein Verkauf ist nicht grundsätzlich vom Tisch. Zwei weitere, besser dotierte Angebote wurden aus dem Hut gezaubert. Das eine kommt von Helmut von Finck, Bankierssohn und Besitzer des „Gestüt Park Wiedingen“. „Ich würde auf einen Schlag 4,5 Millionen bieten. Mein Vertrag wäre wesentlich freundlicher für den Rennverein, man könnte auch eine zehnprozentige Beteiligung an den späteren Gewinnen vereinbaren“, sagte von Finck den staunenden Mitgliedern. MRV-Anwalt Walter Labbé berichtete, ihn habe am vergangenen Donnerstag ein Angebot von der Nymphenburger Beteiligungs-AG erreicht. „Wesentlich einfacher und klarer als der Schwaiger-Vertrag. Drei Millionen gäb’s sofort.“
Doch bis darüber entschieden wird, können noch Monate vergehen – Zeit, die Geld kostet. Immerhin: Aus den Liquiditätsengpässen hilft kurzfristig ein Darlehen von Ex-Präsident Wolfgang Wille: „Ich würde gerne dem Verein 300 000 Euro zur Verfügung stellen – ohne Zinsen, ohne Grundbuch-Belastung", sagte der Dallmayr-Chef. „Das müsste wohl bis zum Frühjahr reichen."