"Ein stolzes Pferd"
AZ: Herr Rath, Sie trainieren nun seit Januar mit Hengst Totilas, dem derzeit besten Dressurpferd der Welt, das ab Donnerstag bei Pferd International in Riem gastiert. Was für einen Charakter hat er? Ist er verzogen, hat er Starallüren?
MATTHIAS RATH: Er ist stolz, hat viel Persönlichkeit und Selbstvertrauen, das merkt man schon. Aber er arbeitet sehr gerne und ist unheimlich lieb. Deckhengste machen in der Hinsicht öfter Probleme – Totilas nicht.
Sie konnten nicht, wie eigentlich geplant, beim Turnier in Hagen Anfang Mai antreten. Was war passiert?
Totilas hatte ein Geschwür am Huf. Da er medikamentös behandelt wurde und wir Karenzzeiten einhalten müssen, konnten wir nicht in Hagen starten. Das wäre sonst Doping gewesen.
Und jetzt ist Totilas wieder vollkommen gesund und fit?
Auf jeden Fall. Er arbeitet wieder sehr gut.
In Riem ist das Interesse riesig. Man erwartet von Ihnen von Anfang an erste Plätze.
Für mich ist aber klar, dass ich nicht mit dem Anspruch nach München fahren kann, dort weiterzumachen, wo Edward Gal (Totilas’ überaus erfolgreicher vorheriger Reiter, d. Red.) aufgehört hat. Das geht nicht. Ich werde einige Turniere brauchen, bis das Zusammenspiel perfekt passt.
Sie sind schon im vergangenen Jahr bei den World Dressage Masters in München angetreten. Was für Eindrücke haben Sie mitgenommen?
Das Turnier hat mir wahnsinnig gut gefallen, die Organisation war wirklich erstklassig und wir hatten ein tolles Wochenende. Man hat sich wirklich gut um die Reiter und die Pferde gekümmert.
Was ist Ihr Ziel in Riem?
Wir wollen erst einmal das umsetzen, was wir uns im Training bisher erarbeitet haben. Von einer bestimmten Platzierung möchte ich das nicht abhängig machen. Außerdem muss ich Totilas auch erst einmal unter Wettkampfbedingungen kennenlernen.
Sind Sie zufrieden mit Ihrer bisherigen Arbeit?
Ja. Wir versuchen es langsam angehen zu lassen, die Veränderung fließend zu gestalten. Totilas hat ja mitbekommen, dass er jetzt woanders steht und ein anderes Umfeld hat, da wollen wir ihn nicht zu schnell mit zu viel Neuem konfrontieren.
Gibt es Kontakt zu Edward Gal, der große Erfolge feierte mit Totilas?
Meine Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff und ich haben ihn vor kurzem in Amsterdam getroffen.
Wie geht’s ihm nach dem Verlust?
Totilas herzugeben, ist ihm sehr schwergefallen, das ist auf jeden Fall nachvollziehbar. Das war auch für ihn eine einmalige Zeit, so ein Pferd reitet man nur einmal im Leben. Wir haben ihm jedenfalls das Angebot gemacht, dass er Totilas besuchen kann, um ihn nicht bei einem Turnier zum ersten Mal wiederzusehen.
Als Paul Schockemöhle Totilas vom vormaligen Besitzer Moorlands gekauft und Ihnen überlassen hat, gab es im Internet eine regelrechte Hetzkampagne gegen Sie – speziell aus Holland. Wie kamen Sie damit klar?
Im ersten Moment war das ziemlich ungewohnt und nicht ganz leicht zu verarbeiten. Immerhin geschah das alles ohne mein aktives Zutun. Aber ich habe mich damit auseinandergesetzt, lese regelmäßig das Gästebuch auf meiner Internetseite.
In diesem Gästebuch tobt ein Kampf zwischen Ihren Fans und Gegnern. Wird das nicht moderiert?
Ganz ehrlich? Wir haben vielleicht drei oder vier Einträge gelöscht, die wirklich zu sehr unter die Gürtellinie gingen oder Drohungen waren. Den Rest lassen wir stehen. Man muss die anderen Meinungen auch respektieren.
Was hat sich in Ihrem Leben seit Totilas verändert?
Vor allem einmal, dass ich sehr viel Zeit bei Herrn Schockemöhle in Mühlen verbracht habe und nicht zu Hause auf dem Schafhof bei Kronberg – Totilas ist erst am 9. Mai bei uns eingezogen. Und die Medienaufmerksamkeit ist natürlich deutlich nach oben gegangen.
Bleibt neben dem Reiten noch Zeit für andere Dinge?
Ich habe im Februar die letzten Prüfungen meines BWL-Studiums bestanden und bereite mich jetzt auf die Bachelorarbeit vor. Meinen Professor habe ich schon gewählt, wir arbeiten gerade am konkreten Thema. Ich werde das Studium auf jeden Fall fertigmachen.
Sie stehen unter genauester Beobachtung, wenn Sie zum ersten Mal mit Totilas ins Viereck reiten. Bereiten Sie sich darauf schon vor?
Ich versuche nicht darüber nachzudenken und das auszublenden. Mein Kopf muss beim Pferd sein und nicht bei den Zuschauern.
Vergangenes Jahr haben in Riem 6000 Leute Totilas wie einen Popstar gefeiert. Haben Sie das mitbekommen?
Ja, das war gewaltig, ein absolut faszinierender Auftritt. Totilas wurde ja oft euphorisch empfangen, aber München, das war etwas Besonderes.
Und wenn Sie am Ende gewinnen, werden Sie garantiert mit dem Vorwurf konfrontiert, Erfolge mit Totilas wären sowieso nur gekauft. Was entgegnen Sie?
Edward Gal hat Totilas hervorragend ausgebildet. Aber: Ein Pferd läuft nicht von alleine. Es ist keine Maschine, bei der man auf einen Knopf drückt und die dann ihr Programm abspult. Wenn wir gewinnen, wird das genauso meine Leistung sein.
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