Ein Poet, kein Macho

Unter Trainer Bruno Bini haben sich die Französinnen enorm entwickelt
von  Frank Hellmann

Mönchengladbach - Es ist erst zwei Jahre her, dass den französischen Fußballverband die pure Verzweiflung packte. Medien und Sponsoren waren so aufs männliche Segment fixiert, dass Marketingstrategen auf die fixe Idee kamen, vier aktuelle Nationalspielerinnen mit viel nackter Haut abzulichten, um dem Frauenteam zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. In ganz Frankreich tauchten die entblößten Fußballerinnen auf Plakaten mit der provokanten Frage auf: „Muss es erst so weit kommen, damit ihr uns spielen sehen wollte."

Geholfen hat es nicht wirklich viel, zur EM 2009 in Finnland war kein französischer Journalist akkreditiert, zur WM 2011 sind es nur eine Handvoll, mit denen sich Nationaltrainer Bruno Bini statt zur Pressekonferenz auch auf einen Kaffee in der Hotellobby treffen könnte. Und so liebt es der 56-Jährige, einer wachsenden Zahl deutscher Berichterstattern die Geschichte vom französischen Aschenputtel zu erzählen. Wenn der Monsieur vielfach geunkt hat, der Titel sei ja an den Gastgeber bereits vergeben, „also arbeiten wir am zweiten Platz", dann verbirgt sich dahinter List und Tücke. List, weil der seit 2007 fürs Frauen-Nationalteam verantwortlich Mann die Anspielungen liebt; Tücke, weil Bini eben noch gut in Erinnerung hat, dass vor sein Ensemble bei der EM mit 1:5 gegen Deutschland unterging.

"Also arbeiten wir am zweiten Platz"

„Damals haben wir dreimal Pfosten und Latte getroffen", erinnert sich Bini, „dass Deutschland immer gewinnt, wird nicht wieder passieren." Bini, der nach einer schweren Krankheit fast 50 Kilo in zwei Jahren abgenommen hat, predigt den Sport als Bewusstseinserweiterung und formt eine Gemeinschaft, die den Sieg mit schönem Spiel erringen will. Berufen werden bei den Frauen nicht die besten Individualisten, sondern die besten Kräfte fürs Kollektiv. Bini: „Wir haben hier nicht die 21 besten Spielerinnen Frankreichs, aber die besten, die als Gruppe weit kommen." Eifersucht und Eigensinn sind dieser Equipe fremd.

Spielführerin Sandrine Soubeyrand erklärt, warum alle unter Bini so viel besser geworden sind. „Weil er jede ermuntert, sich frei zu äußern; wer er immer für Kritik offen ist. Unser Trainer ist ein guter Coach, ein guter Psychologe - und er ist ein Poet und kein Macho." So viel Gespür muss offenbar sein, um in die besondere Seele der weiblichen Abgesandten der Grande Nation vorzudringen.

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