»Ein Löwe, der wieder beißen will«
Die Hoffnungen der Keintorlöwen ruhen auf Berkant Göktan. Im Spiel gegen Mainz könnte der Stürmer sein Comeback feiern. Der operierte Star über sein »neues Fahrwerk«, Tore und Existenzängste.
AZ: Der TSV 1860 ist seit 480 Minuten ohne Tor: Herr Göktan, wie fühlt man sich, wenn man vor dem Zweitliga-Hit gegen Mainz am Sonntag plötzlich der Retter sein und die Löwen aus der Torkrise schießen soll?
BERKANT GÖKTAN: Moment mal, noch ist nicht sicher, ob ich schon gegen Mainz im Kader bin. Aber es schaut gut aus. Der Rücken tut nicht mehr weh. Es wird von Tag zu Tag besser. Am Freitag oder Samstag werde ich mit dem Trainer entscheiden, ob ich dabei bin. Eine Halbzeit traue ich mir zu. Ich brauche Spielpraxis. Nur zu trainieren, macht irgendwann auch den Kopf müde. Ich fühle mich wie ein Löwe, der Hunger hat und endlich wieder beißen will.
Die Fans können Ihr Comeback kaum erwarten.
Auch ich Freude mich auf die Fans. Wenn sie meinen Namen schreien, das wird obergeil. Auf diesen Moment habe ich lange warten müssen. Es macht mich stolz, dass ich gebraucht werde. Dieses Gefühl hatte ich lange nicht in meinem Leben. Wenn ich im Kader bin, kommt auch meine ganze Familie ins Stadion. Das werden 20 bis 30 Leute.
Können Sie der Mannschaft überhaupt schon helfen?
Ich bin noch nicht da, wo ich hin will. Das ist klar. Ich trainiere ja erst seit elf Tagen wieder mit der Mannschaft. Aber der Ball gehorcht mir, der Ball und ich, das ist wie ein altes Ehepaar. Aber was soll ich jetzt machen? Daheim fällt mir die Decke auf den Kopf, und jetzt kann ich dem Verein helfen. Papa und Mama sagen zwar: „Junge, mach’ langsam. Wichtig ist deine Gesundheit und nicht ein Spiel mehr oder weniger.“ Diese Fürsorge, diese Liebe hilft mir sehr.
Ihre Bandscheiben-Operation ist knapp vier Monate her. Zwickt nichts?
Nein, überhaupt nicht. Ich verspüre ein Gefühl, als wenn ich ein neues Fahrwerk eingesetzt bekommen habe, aber das muss auch erst einige Kilometer eingefahren werden, bis es richtig rockt. Bei mir ist das mit dem Rücken nicht anders.
Wie schlimm war Ihre Leidenszeit?
Als ich vom Arzt gehört habe, dass ich einen Bandscheiben-Vorfall habe, war’s für mich im ersten Moment ein Schock. Mit 27 so etwas zu haben, das ist schon heftig. Ich habe mich gefühlt wie ein alter Mann. Mir gingen nach der Diagnose 1000 Bilder durch den Kopf.War’s das vielleicht mit dem Fußball? Was habe ich falsch gemacht? In den ersten Tagen hatte ich brutale Existenzängste gehabt.
Wann kam der Zeitpunkt, als nichts mehr ging?
Das Gladbach-Spiel (12. November 2007, 0:0, d. Red.) in der Allianz Arena, ich konnte mich kaum mehr bewegen. Mein Körper ist mein Kapital, man muss ihn schonen und pflegen. Das ist mir in den letzten Wochen immer mehr bewusst geworden.
Gehen Sie jetzt anders mit ihm um?
Auf jeden Fall, wenn ich jetzt eine Wasserkiste hebe, gehe ich erst mal in die Knie. Ich achte ganz genau drauf, wie meine Haltung ist. Außerdem habe ich mir für den Alltag auch Gesundheitsschuhe mit einer überdimensionalen Gummisohle besorgt. Meine Freundin ( Verena, d. Red. ) hat mir die empfohlen, sie trägt sie auch selbst. Die Schuhe sind zwar nicht gerade modisch, aber sie erfüllen den Zweck. Und das ist mir das Wichtigste. Als Fußballer habe ich nur ein beschränktes Leben.
Die Löwen haben ohne Sie in der Liga nur noch selten gewonnen.
Die Mannschaft steht aktuell gut da. Fakt ist: Um ein Spiel zu gewinnen, muss man auch Tore erzielen. Und je länger wir torlos bleiben, desto größer wird der psychologische Druck. Doch darf man nicht vergessen, wie viele Topspiele wir in dieser Saison – bei einem Altersdurchschnitt im Team von 24 Jahren – schon hingezaubert haben.
Interview: Oliver Griss
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