Ein Goldschmied tröstet die Bronze-Rodlerin
Ein Fotograf stoppt und foppt Natalie Geisenberger Sekunden vor ihrem letzten Durchgang. Das bringt die Miesbacherin durcheinander. Sie wird Dritte – und freut sich jetzt auf ihr Wasserbett.
WHISTLER Fotografen können nervig sein, keine Frage. Brauchen ewig, bis das Bild im Kasten ist. Scheuchen einen rum, bis man richtig steht und nicht zu dumm guckt. Aber dass sie einem auch die Konzentration in einem der wichtigsten Momente einer Sportlerkarriere verderben können, das war dann schon eine neue Erfahrung, am Dienstagnacht im Whistler Sliding Center.
Gemacht hat diese üble Erfahrung die gebürtige Münchnerin aus Miesbach, Natalie Geisenberger. Die Welt- und Europameisterin musste ihren Start zum vierten und entscheidenden Lauf abbrechen, weil ein Fotograf an den „Notausknopf" gekommen war. Das Visier hatte sie schon heruntergeklappt, die Hände an die Haltegriffe gelegt, als der Starter sie plötzlich und ohne erkennbaren Grund ausbremste. Das bedeutete: wieder runter vom Rodel, raus aus der Startzone, neu konzentrieren – und das bei ihrem Olympia-Debüt, bei dem sie Gold im Blick hatte.
Ein Desaster.
„Der Start war für mich danach natürlich nicht optimal“, sagte die 22-Jährige, „doch möchte ich dem Fotografen nicht die Schuld für meine Chaosfahrt geben." So ist sie, die Frau Geisenberger: immer nett, immer charmant. Fast hätte sie den dritten Platz noch an die Russin Tatjana Iwanowa verloren. Mit zwölf Hundertstelsekunden Vorsprung gewann sie Bronze. „Das war der schwerste Wettkampf meiner Karriere“, sagte sie erleichtert.
Geisenberger, seit Januar 2006 angestellt bei der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf, ist so etwas wie das Glamour-Girl der insgesamt doch eher spröden deutschen Rodlerinnen. Eine, für die sich auch Frauen- und People-Zeitschriften wie „Frau im Spiegel“ interessieren. Dem Blatt erzählte Geisenberger von dem „fantastischen Gefühl, mit Tempo 140 auf einem Schlitten zu fahren“, spricht vom „ordentlichen Adrenalinschub“ – und von ihrem Freund Egmont. Der ist 17 Jahre älter, Goldschmied und hat sie gleich vor Ort getröstet nach der Bronze-Fahrt.
Das ist eine Ausnahme. Sonst bleibt der Freund meist zu Hause, wenn Geisenberger rodeln geht. Sie erzählt: „Das kostet ihn viel Geduld. Ich weiß nicht, ob ich als Nichtsportler mit einer Rennrodlerin befreundet sein wollte."
So ganz unsportlich ist ihr Egmont aber doch nicht: „Wir treiben zusammen Sport: Laufen, Radfahren, Tischtennis.“ Ansonsten gehen die beiden in der kostbaren Freizeit gerne „gut essen und ins Kino oder spielen auch mal Billard. Wo man uns bestimmt nicht antrifft, sind Lokale, die verraucht sind oder in denen zu laute Musik gespielt wird.“
Am liebsten, sagt sie, trage sie Schlabber-Pulli und Turnschuhe. Noch besser sei „barfuß im Bikini am Strand".
Das wird noch ein bisschen dauern, die Saison ist ja noch nicht zu Ende. Bei ihrem vollen Terminkalender genießt sie jeden Tag, den sie mal zu Hause ist: „Am meisten Freude ich mich auf mein Wasserbett.
Darin fühle ich mich einfach sauwohl. Es entlastet meine Wirbelsäule, die durch das viele Rodeln extrem belastet wird." Das Bettchen steht zu Hause im „Hotel Mama“: „Das ist praktisch, denn um einen eigenen Haushalt zu führen, fehlt uns die Zeit." Und die braucht sie, nicht nur im Eiskanal.
tbc
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