Seidenberg, der Stanley-Cup-Täufer

Dennis Seidenberg im AZ-Interview: Der NHL-Star über das Training beim EHC Red Bull München, seine Karriere in den USA, Träume und Akzente.
von  Matthias Kerber
Stanley-Cup-Sieger Dennis Seidenberg (r.) mit seinem Bruder Yannic, der beim EHC Red Bull München spielt.
Stanley-Cup-Sieger Dennis Seidenberg (r.) mit seinem Bruder Yannic, der beim EHC Red Bull München spielt. © ho

AZ: Herr Seidenberg, zum Glück für Eishockeyspieler machen Narben Männer ja angeblich interessanter, wie geht es denn Ihrer jüngsten Narbe? Nach Ihrem Kreuzbandriss im Dezember haben Sie, einer von nur zwei deutschen Stanley- Cup-Siegern, ja gerade erst das Eistraining aufgenommen.

DENNIS SEIDENBERG: (lacht) Ich hoffe, das stimmt mit den Narben. Meinem Knie geht’s immer besser, aber ich muss zugeben, es hat sich schon ungewohnt angefühlt, als ich gerade erstmals wieder auf dem Eis stand. Das zweite Training war schon besser. Es wird. Ich habe ja jetzt noch ein bisschen Zeit, um für die NHL wieder fit zu werden, das schaffe ich.

Also alles insgesamt weniger schlimm als Ihr Beinbruch, den Sie 2004 erlitten haben?

Alle sagen ja, dass Knieverletzungen noch schwerer zu verkraften sind. Aber nach den Gesprächen mit den Ärzten, die mir versichert haben, dass ich wieder 100 Prozent fit werde, ging es mir viel besser. Okay, das sagen die Ärzte einem wahrscheinlich immer, aber man hört es zumindest gerne (lacht). Der Beinbruch damals, als mein Bein im rechten Winkel abstand, das war schon übel. Der Schmerz war im ersten Moment gar nicht so schlimm, der Schock hat das überlagert. Aber das Pochen danach war schon übel.

Wie kam es dazu, dass Sie jetzt beim EHC Red Bull München mittrainieren? Ist Ihr Bruder Yannic, der ja beim EHC spielt, dafür verantwortlich oder eher das Abschiedsspiel von Marco Sturm am Samstag?

Marco hatte vor einiger Zeit nachgefragt, ob ich am Abschiedsspiel teilnehme. Da ich sowieso eine Woche mit meinem Bruder auf dem Eis trainieren wollte, hat das gut geklappt. Dank auch an den EHC, der das möglich gemacht hat. Der EHC hat sich viel vorgenommen,

Ex-Coach Pierre Pagé wollte sogar die Eishockeywelt von München aus verändern. Was hält NHL-Star Seidenberg von den Red Bulls?

Sie haben viel Talent, das sieht man gleich. Sie können was erreichen. Was jetzt noch fehlt, ist der Teamgeist, die Chemie.

Und der Erfolg!

(lacht) Stimmt, den sollte man am besten nie vergessen.

Stichwort Erfolg, wir können es Ihnen nicht ersparen, über den Stanley-Cup-Triumph 2011 zu sprechen.

Es gibt Schlimmeres!

Dann nur zu.

Das Gefühl war schier unbeschreiblich, obwohl man auch unglaublich leer und ausgepumpt war nach der langen Saison. Das ist natürlich die Krönung für jeden Eishockeyspieler. Die ersten vier, fünf Tage danach war der Trubel auch Irrsinn, da gibt es eigentlich keine Worte dafür. Es ist ja lange Tradition, dass jeder Spieler des Siegerteams den Stanley Cup einen Tag zur freien Verfügung erhält.

Sie haben sich für Ihren Tag etwas besonders einfallen lassen...

Oh ja, ich habe meine beiden Töchter im Stanley-Cup taufen lassen. Das gab es bis dahin wohl auch noch nie, aber sie waren noch nicht getauft, daher dachte ich mir: Das passt. Deswegen muss ich jetzt noch einmal den Stanley Cup holen, damit ich meinen Sohn, der damals noch nicht geboren war, auch drin taufen lassen kann. Am besten in dieser Saison.

Damit der Geist des Stanley Cups auf ihn überspringt.

Genau! Sie spielen bei den Bruins in Boston, der Stadt, die 2013 vom mörderischen Terroranschlag auf den Boston-Marathon erschüttert wurde.

Ja, das war eine hochemotionale Zeit für die gesamte Stadt. Unser Spiel wurde damals verschoben. Da die Täter noch auf der Flucht waren, herrschte ja Ausgangssperre in der Stadt. Es war so surreal, niemand war auf den Straßen, alle saßen gebannt und verängstigt vor dem Fernseher und schauten zu, wie die Täter gejagt wurden. Es war wie in einem Film. Und die Stadt Boston ist dadurch richtig zusammengewachsen, das erste Spiel danach, als den Opfern gedacht wurde, war eines der intensivsten überhaupt.

Es scheint eine der Stärken der USA zu sein, aus Tragödien gestärkt hervor zu gehen.

Das sehe ich genauso. Das ist auch hier passiert, die Stadt, die Menschen in Boston haben für sich Flagge gezeigt und Stärke bewiesen.

Wenn man sich Ihren Akzent so anhört, sind Sie mehr deutscher Amerikaner oder amerikanischer Deutscher?

Gute Frage, schwere Frage. Es ist schon so, dass ich täglich mit meinen Eltern oder meinem Bruder telefoniere, aber das reicht nicht, damit ich mich immer mit der deutschen Sprache wohlfühle. Manchmal ringe ich im Deutschen schon nach Worten. Da ist es schön, wieder in der Heimat zu sein. In welcher Sprache träumen Sie denn? Sowohl als auch. Mal deutsch, mal englisch. Ich habe eben einfach beides in mir.

 

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