„Kampfsau, keine Drecksau!“

EHC-Raubein Jocher beendet nach der Final-Serie seine Karriere. Hier gesteht er, dass sein „Herz weint“ und wie sehr ihn der Titel „unfairster Spieler der Liga“ ärgert.
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Markus Jocher, der Mann mit dem Schläger, teilt gerne mal aus.
sampics/Augenklick Markus Jocher, der Mann mit dem Schläger, teilt gerne mal aus.

EHC-Raubein Jocher beendet nach der Final-Serie seine Karriere. Hier gesteht er, dass sein „Herz weint“ und wie sehr ihn der Titel „unfairster Spieler der Liga“ ärgert.

AZ: Herr Jocher, am Freitag steigt Spiel vier der Finalserie gegen Bietigheim. Wieviel Wehmut schwingt bei Ihnen mit? Schließlich ist das Ihr letztes Heimspiel für den EHC, Sie werden die Karriere beenden.

MARKUS JOCHER: Da darf ich gar nicht drüber nachdenken, sonst zerreißt’s mi. Ich habe Trauer im Herzen. Eishockey ist der tollste Sport der Welt und mein Herz will unbedingt weiterspielen. Aber alles andere, spricht dagegen. Deswegen werde ich die Karriere beenden und mich auf meinen Nähmasschienenbedarfs-Laden konzentrieren. Ich führe ihn seit drei Jahren und meine Mama ist eine Riesenhilfe, ohne sie hätte ich längst aufhören müssen, aber jetzt merke ich, dass es an meine Substanz geht, dass ich nicht mehr beides mit 100 Prozent machen kann. Ich hatte seit über einem Jahr keinen freien Tag mehr. Ich müsste meine zukünftige Existenz opfern, um noch drei Jahre Eishockey dranzuhängen. Das macht keinen Sinn. Es war immer mein Traum, mein eigener Chef und gleichzeitig mein eigener Knecht zu sein, das kann ich damit erreichen. Zu 99 Prozent ist meine Karriere beendet, das eine Prozent lasse ich mir offen. Aber im Moment sage ich: Meine Karriere ist nach dieser Finalserie vorbei.

Dann sollten Sie am besten als Meister abtreten.

Dafür werde ich alles geben. Ich habe drei DEL-Meisterschaften gewonnen, und das sind die höchsten Gefühle, die ich in meinem Leben hatte. Du schwebst noch Wochen auf Wolken. Aber leider geht es halt mit dem Eishockey nicht mehr. Ich will mir meinen Ruf nicht ruinieren. Ich will nicht, dass jemand sagen kann: Der Jocher, der gibt nicht mehr hundert Prozent, der Jocher setzt seinen Körper nicht mehr mit voller Brutalität ein. Da höre ich lieber auf. Ich habe nicht 15 Jahre alles gegeben, mir diesen Ruf erarbeitet, um ihn dann zu zerstören.

Wie sehr hat es Sie getroffen, dass Sie gerade zum unfairsten Spieler der Liga gewählt wurden?

Sehr, denn es stimmt nicht. Ich bin brutal hart, gegen mich und andere. Aber ich bin nicht unfair. Aber ich habe nie versucht, einem Spieler zu verletzen. Ich habe mir immer gesagt, wenn du das plötzlich willst, dann hörst am nächsten Tag auf. Für mich sind diese ganzen Schwalben unfair. Das macht das Eishockey kaputt. Wenn ich einen sehe, der sich fallen lässt, packt’s mi. Dann will ich die Handschuhe hinschmeißen und ihm eine reinknüppeln, ihm klar machen, das hier ist eine der härtesten Sportarten der Welt, und das ist gut so. Ich will nicht, dass Eishockey zu einer Schauspielerliga verkommt. Die Fans haben mich stets geliebt, meine Gegner mich immer gehasst.

Der harte Jocher, der privat so gar nicht hart ist.

Ich habe zwei Gesichter. Privat bin ich nicht aggressiv, da bin ich gerne alleine, gehe mit meinem Hund in die Berge, die Natur gibt mir alles. Aber ich zeige nicht jedem mein anderes Gesicht. Ich weiß, dass viele Leute denken, Eishockeyspieler haben eh die eine oder andere Scheibe zuviel an die Birne gekriegt, aber wer mich privat kennt, weiß, dass ich da anders bin als die Kampfsau Jocher. Der Herr hat mir nicht die besten Hände mitgegeben.

Außer zum knüppeln...

(lacht) Genau, aber er hat mir das größte Herz gegeben. Ich bin eine Kampfsau, aber keine Drecksau.

Wird die Kampfsau beim Abschied weinen?

Weinen, das kann ich auf dem Eis nicht. Egal, wie schwer ich verletzt war, ich habe nie geweint. Aber mein Herz weint – und das schon lange, denn ich liebe Eishockey. Aber auf dem Eis werde ich nicht weinen, später kann schon was kullern. Ich will mir ja nicht, falls ich zurückkomme, anhören, ich wäre eine Heulsuse.

Interview: Matthias Kerber

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