Eisen fressen für Krupp
EHC-Stürmer Martin Schymainski hat sich die Nominierung für den Deutschland-Cup hart erarbeitet – als erfolgreicher Torschütze auf dem Eis und verbissener Fitnessstudio-Gänger.
MÜNCHEN Der Seilzug ist gespannt, das Gewicht, fern jedes Normalsterblichen, ächzt. Martin Schymainski presst seine Oberarme vor der Brust zusammen bis die Adern hervortreten. In seinem Gesicht sieht man nicht etwa Anspannung und Schmerz, sondern ein dezentes Lächeln. Schymainski ist ein leidenschaftlicher Fitnessstudio-Gänger, Bankdrücken und Butterfly gehören zu ihm wie seine Schüsse ins Tor.
Der Look muss stimmen beim gestählten EHC-Stürmer, dessen Kampfgewicht bei 1,71 Metern Größe rund 83 Kilo beträgt. Er trägt gerne ausgeflippte Designer-Klamotten, Glitzerohrringe, die Haare sind akkurat, aber keinesfalls zu ordentlich gegelt. Das kommt an bei den Mädels, auch Melissa, die Tochter von EHC-Manager Christian Winkler, ist bekennender Fan. „Bevor sie nach dem Ergebnis fragt, will sie oft wissen, ob er ein Tor geschossen hat“, sagt Winkler.
„Kleines, kompaktes Schymmi“ hat er seinen Flügelstürmer in Anlehnung an Bayern-Legende Gerd „kleines, dickes Müller“ scherzhaft genannt. Zum einen wegen seiner für einen Eishockey-Profi unterdurchschnittlichen Körpergröße, zum anderen, weil sich Schymainski in dieser Saison mit bereits sieben Toren tatsächlich zum EHC-Bomber gemausert hat.
Der 26-Jährige ehemalige Nachwuchs-Nationalspieler, dem noch vor wenigen Jahren die DEL-Tauglichkeit abgesprochen wurde, ist in der Form seines Lebens. Optisch, wegen seiner Vorliebe fürs Eisen fressen und auf dem Eis, weil derzeit der cleverste und effektivste Martin Schymainski aller Zeiten spielt. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, kleine und wendige Spieler zu verteidigen. Die Körpergröße muss man zu seinem Vorteil einsetzen“, sagt Bundestrainer Uwe Krupp, der den gebürtigen Duisburger für den Deutschland-Cup nominiert hat.
Ein höchst erfreulicher Zwischenstopp auf seinem bisher steinigen und kurvenreichen Weg als Profisportler. Fünf Anläufe bei fünf verschiedenen Vereinen und jahrelange Aufenthalte im Kraftraum hat es gebraucht, bis Schymainski nun wirklich in der DEL angekommen ist: Krefeld, Duisburg, Iserlohn, Augsburg – und nun eben München. Zuvor wurde er immer wieder per Förderlizenz zu Zweitliga-Vereinen abgeschoben, um Spielpraxis zu sammeln, wenn er bei einem DEL-Verein nur auf der Bank saß. Für den EHC war das ein Glücksfall, als ihn die Augsburger Panther 2008 in Pat Cortinas Obhut übergaben. Letztendlich hat er es dank seines Torriechers allen Skeptikern gezeigt: In der zweiten Bundesliga erzielte er für den EHC in 75 Spielen immerhin 33 Tore.
Es ist dieses instinktive Gefühl für das Spiel, wann welcher Schuss der Richtige ist und wo die beste Position auf dem Eis ist, das alle guten Torjäger haben und das sich kaum antrainieren lässt. Da hält er auch mal gegen zwei Gegenspieler von der blauen Linie drauf: Es funktioniert. Seine Methode: Hirn ausschalten. „Wenn wir uns auf dem Gang im Stadion treffen, dann frage ich immer: Martin, was darf ein Stürmer auf keinen Fall tun? Und Schymmi antwortet: Denken, Manager, denken“, erzählt Winkler.
Seine körperliche Fitness hat ihn in der laufenden DEL–Saison zu einem Unikat gemacht. Er ist der einzige Spieler, der zehn Scorerpunkte oder mehr hat – aber gleichzeitig keine einzige Strafminute. „Warum soll ich mit dem Stock herumfuchteln, wenn ich immer einen Schritt schneller als der Gegner sein kann“, sagt Schymainski. Dass er Zweikämpfe annimmt, ohne ein übermäßiges Risiko für eine Strafzeit einzugehen, begeistert seinen Vereinstrainer und Disziplinfanatiker Cortina wie auch den Nationalcoach. „Er geht in die Ecken und legt sich mit dem Gegner an“, sagt Krupp. Eines möchte Schymainski, der rein statistisch fairste unter den treffsicheren DEL-Stürmern, aber klarstellen: „Wenn sich jemand mit mir prügeln will, dann ziehe ich nicht zurück."
Matthias Kerber, Julian Galinski
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