Das Vollmer-Experiment
Der EHC München setzt in der neuen Saison auf den Keeper, macht ihm aber schon vor dem ersten Saisonspiel Druck: „Wenn’s nicht klappt, reagieren wir.“
MÜNCHEN Jetzt zählt es für den EHC München. Am Freitag startet der Verein nach einer sehr guten Vorbereitung mit vier Siegen bei nur einer Niederlage – Pokalspiele nicht gerechnet – gegen Freiburg (20 Uhr, Olympia-Eishalle) in die neue Saison. Vor jedem Spiel in der Vorbereitung rannte Keeper Joey Vollmer zum Coach. „Ich habe ihn immer gefragt: ,Trainer, wer steht im Tor?’“, sagte der EHC-Rekordspieler. Coach Pat Cortina schaute stets etwas konsterniert, antwortete mit einem süffisantem Lächeln: „Du!“
„Ich muss mich erst noch an die Situation gewöhnen“, sagt Vollmer. Die Situation, dass er jetzt die klare Nummer 1 im Tor des EHC ist, nachdem er die letzten Jahre mit Hardi Wild als Keeper 1a und 1b durch die Saison ging. Jetzt also das Vollmer-Experiment.
„Wir haben Joey das Vertrauen entgegengebracht, in dem wir keinen direkten Konkurrenten geholt haben“, sagt Sportdirektor Christian Winkler, „sollte das nicht so klappen, wie wir uns das vorstellen, wäre das aber die erste Position, wo wir reagieren.“
Also Druck auf Joey, da der EHC mit Peter Holmgren nur einen klaren Backup-Keeper hat und mit Jochen Reimer zwar eines der größten deutschen Torwarttalente im Kader hat, der aber beim DEL-Klub Düsseldorfer EG unter Vertrag steht und nur für den EHC spielen kann, wenn ihn die DEG abstellt. „Ein Torhüter ist immer der Knackpunkt, wenn’s da nicht passt, muss der Klub reagieren. Ich mache mir aber keinen Kopf, ich muss nur meine Leistung bringen. Und ich Freude mich, dass Reimer da ist. Ich bin kein Platzhirsch, der keinem anderen Eiszeit gönnt. Jeder hat mal einen schlechten Tag und es ist besser, wenn man den nicht in einem Spiel hat, sondern dann auf der Bank sitzt. Dann merkt es keiner“, sagt Vollmer.
Und der Torwart, der bisher wegen des manchmal etwas laxen Trainingsfleißes, regelmäßig von Cortina lautstarke Abreibungen erhielt, wird plötzlich gelobt. „Joey ist professioneller geworden“, sagt Cortina. „Der Coach staucht mich weniger als früher zusammen“, sagt Vollmer, „früher habe ich Aufwärmen oder Dehnübungen sicher nicht so ernst genommen. Aber auch ich habe dazu gelernt, bin reifer, erwachsener geworden.“
Den aus Schmerzen wird man bekanntlich klug. In der vergangenen Saison stach es Vollmer immer wieder in der Hüfte. „Da hab ich gemerkt, dass die Schmerzen weniger werden, wenn ich mich gut aufwärme. Also mache ich es jetzt. Ich bin jetzt 28, da spürt man auch mal ein Zipperlein.“
Und mit 28 wird eben auch der letzte Kindskopf erwachsen.
Matthias Kerber
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