Cortinas Gefühlschaos
MÜNCHEN Das Programm für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft beim Qualifikationstunier für die Olympischen Winterspiele 2014 hat eine ansteigende Dramatik. Am Donnerstag spielte das DEB-Team gegen die krassen Außenseiter aus Holland – der Sieg ist nicht nur Pflicht, sondern eigentlich schon abgehakt. „Bei Holland sagen alle: spielen die überhaupt Eishockey?”, scherzt DEB-Präsident Uwe Harnos.
Doch der Weg zum voraussichtlichen Endspiel gegen Österreich hält für Cortina persönlich noch ein kleines Gefühlschaos parat: Denn heute spielt die Nationalmannschaft gegen Italien, das Land, in dem Cortina seine Wurzeln hat. Zwar wurde der 48-Jährige in Montreal geboren, doch sein Vater wanderte 1955 im Alter von 15 Jahren von Sizilien nach Kanada aus. Cortinas Mutter, die auch aus Sizilien stammt, folgte drei Jahre später. „Natürlich ist dieses Spiel etwas Spezielles, da alle meine Vorfahren aus Italien stammen”, sagt Cortina vor dem zweiten Spiel der Qualifikation.
Dazu kommt, dass er seine Trainerkarriere im Land seiner Eltern startete. Nach den Vereinsstationen bei HC Varese und AS Asiago ermöglichte ihm der italienische Verband 2000 die Rolle als Cheftrainer des Nationalteams. Allerdings stieg er mit Italien bei seiner zweiten Weltmeisterschaft ab und danach nicht wieder auf. Das Ende seiner Tätigkeit.
„Ich habe 16 Jahre in diesem Land gearbeitet, das ist schon sehr besonders. Viele der heutigen Nationalspieler habe ich selbst noch trainiert, einige kenne ich noch, als sie damals 14 oder 15 Jahre alt waren”, erzählt Cortina. Danach folgte der Aufstieg über Stationen in Ungarn zum EHC und in die deutsche Eishockey-Liga. Jetzt möchte er dem Land seiner Vorfahren die olympischen Träume nehmen.
Auch Cortinas Frau wohnte mit den beiden gemeinsamen Töchtern noch bis letzten Sommer im Heimatland seiner Eltern. Cortina pendelte oft zwischen München und Südtirol, die Bindung zu seiner zweiten Heimat war stets vorhanden. „Auf dem Papier sind wir der Favorit, aber das zählt nicht. Die Italiener wissen, wie man gut spielt. Vor allem die Torhüter sind sehr stark”, sagt Cortina.
Doch alle Liebe zu italienischer Küche und Mentalität zählen am Freitag (19.30 Uhr, Sport1 live) nicht mehr. Die Italiener sind schwerer zu besiegen als Holland, eine wirkliche Prüfung dürften sie aber auch nicht sein. Und das Verhältnis zum italienischen Eishockey ist seit Cortinas Ende als Nationaltrainer sowieso beschädigt, man ging im Streit auseinander. Da würden wohl selbst Cortinas Eltern dem Sohn verzeihen, wenn er ihr Heimatland von Olympia fernhält. Ein halber Italiener wäre dann ja immer noch dabei.
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