Cortina: "Passione! Das ist Italien"

Am Samstag spielt der EHC gegen Italien. Trainer Pat Cortina, dessen Eltern aus Sizilien stammen, war dort drei Jahre Nationaltrainer. In der AZ spricht er erstmals über seine Familiengeschichte.
Interview: Matthias Kerber |
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Coach Pat Cortina war nach der 0:3-Pleite gegen Düsseldorf "enttäuscht und wütend"
Augenklick Coach Pat Cortina war nach der 0:3-Pleite gegen Düsseldorf "enttäuscht und wütend"

Am Samstag spielt der EHC gegen Italien. Trainer Pat Cortina, dessen Eltern aus Sizilien stammen, war dort drei Jahre Nationaltrainer. In der AZ spricht er erstmals über seine Familiengeschichte

AZ: Herr Cortina, am Samstag bestreitet Ihr EHC München beim Dolomitencup sein erstes Testspiel der Saison. Es geht ausgerechnet gegen die Nationalmannschaft Italiens, die Sie mehrere Jahre trainierten. Sicher kein normales Spiel für Sie, oder?

PAT CORTINA: Ich würde Ihnen gerne erzählen, dass dies ein Spiel wie jedes andere für mich ist, aber dann würde ich lügen. Ich muss zugeben, diese Partie ist schon etwas ganz Spezielles für mich. Aus vielen Gründen. Einer dieser Gründe ist, dass man in Italien ja wirklich immer noch glaubt, dass man im Eishockey mit den Deutschen fast auf Augenhöhe ist, weil ja beide Nationen bei der A-WM mitspielen. Die Realität sieht aber anders aus, das italienische Eishockey ist meilenweit entfernt von der Klasse des deutschen. Ich würde mich Freude, wenn wir mit dem EHC Italien da einen Weckruf geben könnten, dass sie die Augen nicht mehr vor der Realität verschließen.

Das ist aber sicher nicht der einzige Grund...

Nein, das stimmt. Ich werde nie vergessen, dass mir der italienische Verband die Chance gegeben hat, als Nationaltrainer zu arbeiten, als ich als Trainer noch ein ziemliches unbeschriebenes Blatt war. Dafür werde ich ewig dankbar sein. Dass wir dann nicht unbedingt im Guten auseinander gegangen sind, steht auf einem anderen Blatt, aber das ändert nichts an meiner Dankbarkeit dafür, dass man an mich geglaubt hat, als es viele Andere nicht taten.

Ihre Familie stammt aus Italien. Sie sind in Kanada geboren und aufgewachsen, arbeiten seit Jahren in Deutschland. Wie sehr ist Pat Cortina denn noch Italiener und Kanadier, wie sehr ist er schon auch Deutscher geworden?

Eine gute Frage – und eine schwierige Frage. Meine Wurzeln, meine Familiengeschichte basiert auf Italien. Meine Frau und Töchter leben im Moment auch dort. Das ist ein Teil von mir, den ich nie verleugnen kann und auch nicht will. Wenn es um die Arbeitseinstellung geht, bin ich aber sicher sehr viel mehr Deutscher als Italiener. Ich würde nicht sagen, dass noch sehr viel Kanadier in mir steckt. Aber in meinem Herzen ist der EHC an erster Stelle und bei der Eishockey-WM habe ich Deutschland die Daumen gedrückt.

Was empfinden Sie denn als typisch italienisch?

Wenn ich es nur mit einem Wort benennen dürfte, dann wäre dies: Passione – Leidenschaft. In den Dingen, die der Italiener machen will, ist er extrem gut, weil er es mit bedingungsloser Leidenschaft macht. Autos, Mode, Essen – das liebt der Italiener, da ist er kaum zu schlagen. Dinge, die er hingegen nicht machen will, kann man gleich vergessen, das wird nichts. In Deutschland sagt man, die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Das stimmt, aber funktioniert in Italien nicht immer so. Man kommt immer ans Ziel, aber der Weg dahin kann mühsamer sein, die Lösung kreativer.

Ihre Eltern stammen aus Sizilien.

Ja, mein Vater musste 1955 im Alter von 15 Jahren Italien verlassen. Es war eine Frage des Überlebens, denn es gab dort nichts zu tun, nichts zu essen. Er ging dann ganz alleine – ohne, dass er ein Wort der Sprache konnte – nach Montreal. Meine Mutter, die aus dem gleichen kleinen Dorf stammt, folgte 1958 mit ihren Eltern nach Montreal. Ich habe die größte Hochachtung vor der Entscheidung meines Vaters, der bereit war, mit 15 seine Familie und seine Heimat zu verlassen, um ein besseres Leben zu finden.

Ein harter Gang für einen 15-Jährigen.

Das hat er nicht nur für sich getan, sondern auch für seine Kinder, meine Schwester, meinen Bruder und mich. Wenn ich nur halb so viel für meine Familie tun kann, wie er es für uns tat, dann bin ich ein zufriedener Mann. Ich war jetzt fast fünf Wochen bei meiner Familie in Montreal. Wir sitzen zusammen, sprechen alle im sizilianischen Dialekt, es ist alles noch sehr italienisch dort.

Was empfinden Sie, wenn Sie die italienische Nationalhymne hören?

Es ist bewegend. Ich denke an das, was meine Familie erlebt hat, was uns ausmacht, die Verschworenheit. In Montreal gibt es etwa 200000 Italiener. Die Italo-Gemeinde dort ist so eng verbunden, dass mein Großvater zwar 50 Jahre dort lebt, aber kaum ein Wort Englisch oder Französisch spricht.

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