Cortina: In der Bredouille

Für EHC-Coach Pat Cortina wird der WM-Job mit Ungarn zum Problem: Fehlt er den Münchnern im Playoff-Finale?
RAVENSBURG An der Bande, da ist Pat Cortina ganz der Alte. Da schreit er, faltet – selbst bei einer hohen Führung – seine Spieler zusammen, kann sich erst im letzten Moment zügeln, als er die Wasserflasche auf den Boden donnern will.
Das ist der öffentliche Cortina, den er auch beim 5:0 im ersten Halbfinalspiel gegen Ravensburg gab. Doch der private Cortina ist in diesen Tagen anders. Spricht mit leiser Stimme, vermeidet Augenkontakt, ganz als wolle er keinen Blick in seine Seele freigeben.
Eine Seele, die von Trauer erfüllt ist. Trauer um einen Freund, seinen Lieblingsspieler Gabor Ocskay, den 187-maligen Nationalspieler Ungarns, der vor zwei Wochen mit nur 33 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben ist. „Ich habe das noch nicht verarbeitet. Es tut gut, die Aufgabe hier beim EHC zu haben, das bringt mich auf andere Gedanken“, sagt der Erfolgscoach des EHC München vor Spiel zwei der Halbfinalserie der 2. Liga am Sonntag gegen Ravensburg.
"Ich bin solz darauf, wie mein Team auftritt"
Der EHC als Trostpflaster für die wunde Seele des trauernden Coaches. Das grandiose 5:0 in Partie eins, es war ein großes Pflaster. „Ich bin stolz darauf, wie mein Team auftritt“, meint Cortina. Aber die Gedanken driften immer wieder zu Ocskay, der mit Cortina, dem Nationalcoach Ungarns, lange Jahre Tür an Tür wohnte. Vergangenen Mittwoch war Cortina zur Beerdigung gefahren. „Es war herzzerreißend. Ich kenne seine Eltern, seine Verlobte, die noch versucht hat, ihn wieder zu beleben, gut“ sagt Cortina, der Blick ist zu Boden gewandt. Am Donnerstag spielten die Ungarn unter Cortina gegen Finnland. Es wurde zu einem Tribut an Ocskay. „Gabors Trikot wurde im Beisein der Eltern unters Hallendach gezogen. Alle zollten ihm Respekt. Es war sehr schön und sehr traurig“, sagte der Coach, „nun aber gehört meine volle Konzentration dem EHC."
Der EHC hilft Cortina den Schmerz zu verarbeiten. Doch der nächste Gewissenskonflikt droht. Seine Doppelaufgabe – Trainer des EHC und Nationaltrainer Ungarns – könnte Cortina in die Bredouille bringen. Sollte der EHC ins Finale kommen, würde sich die Finalserie mit der Eishockey-WM in der Schweiz überschneiden. Dorthin führte Cortina wiederum die Ungarn erstmals in deren Geschichte. Spiel vier der Finalserie (best of five) fällt mit dem Spiel der Ungarn gegen Kanada zusammen. „Daran will ich jetzt nicht denken, denn das hieße, dass ich mich nicht auf die Serie gegen Ravensburg konzentriere“, weicht Cortina aus.
Trainingslager der Ungarn in München
Um nicht schon früher in Nöte zu geraten, wird der Coach das Trainingslager zur WM-Vorbereitung der Ungarn in München (13. bis 18. April) abhalten. „So kann ich beide Jobs erfüllen.“ Da schon. Aber im möglichen Finale?
„Der Coach ist ein integraler Teil unserer Erfolges", sagt Kapitän Andreas Raubal. Darauf ausgerechnet im Finale zu verzichten, wenn es um den Titel, den möglichen Aufstieg in die DEL geht, das geht eigentlich gar nicht. „Pat verhandelt gerade mit den Ungarn, um eine Lösung zu finden. In seinem Arbeitsvertrag haben wir zwar die Vorbereitungsspiele in der Saison geregelt, die WM aber nicht. Natürlich hat der EHC für uns Priorität. Wir denken in erster Linie an uns, aber eben nicht nur an uns“, sagt Präsident Jürgen Bochanski und verspricht: „Wir werden eine Lösung finden. Cortina hat das Team so im Griff, der könnte sie auch per Telefon zum Sieg führen. Aber ich denke, das muss er nicht.“
Matthias Kerber