Dressur-Königinnen jagen deutsche Rekord-Olympionikin Birgit Fischer
München - Die Besten werden nicht deshalb die Größten, weil sie mit einer Unmenge an Talent gesegnet sind, sondern, weil sie härter und akribischer arbeiten - und weil es für sie nichts gibt als den Sieg. Muhammad Ali, der beste Boxer aller Zeiten, entnervte seine Gegner mit seinen Psychospielen, Rad-Ikone Eddy Merckx bekam den Spitznamen "der Kannibale", weil er die Konkurrenz unerbittlich wegbiss, Basketball-Legende Michael Jordan kannte auf dem Platz alles - nur keine Freunde.
Isabell Werth ist die Königin der Dressur
Isabell Werth ist unbestritten die Größte der Reiterzunft, die Königin der Dressur. Sechsmalige Olympiasiegerin, neunmalige Weltmeisterin, 20-malige Europameisterin, die 52-Jährige ist das Nonplusultra im Dressursport - und auch fast im olympischen Sport. Wenn Werth sich in der Mannschaft am Dienstag und am Mittwoch im Einzel wieder in ihrer Lieblingsfarbe Gold schmückt, zieht sie mit der bisherigen deutschen Rekord-Olympionikin Birgit Fischer (Kanu) gleich.
Mannschafts-Gold das dürfte den deutschen Dressur-Damen Werth, Jessica von Bredow-Werndl und Dorothee Schneider nicht zu nehmen sein. Aber die Gefährtinnen im Team sind auch die größten Stolpersteine zum Einzel-Gold.
So schnappte sich bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Balve von Bredow-Werndl (35) mit Dalera die Titel im Special und in der Kür vor Werth auf Bella Rose und rückte selbst in die Rolle der Gold-Mitfavoritin.
Jessica von Bredow-Werndl erlebt ihre sechsten Spiele
Doch da kommt eben das ins Spiel, was Werth zur Größten macht. Sie erlebt in Tokio ihre sechsten Spiele, kennt alle Tricks - und beherrscht sie perfekt. Von Bredow-Werndl ist 17 Jahre jünger, ohne jegliche Olympia-Erfahrung. Und so spielt Werth die Leistungen von Bredow-Werndl lässig herunter. "Es ging ja nicht um Gold. Natürlich sind wir Risiko geritten, aber eben nicht volles Risiko", sagte sie und spielte damit aufreizend lässig ihre Grande-Dame-Aura aus.
Genau das sitzt bei ihrer Konkurrentin. Denn Werth ist das große Vorbild von "JBW". In jungen Jahren fragte sie die große Werth, ob sie mal zum lernen kommen dürfe. Werth sagte zu - und holte sich so die Konkurrenz ins Haus. "Das wusste sie ja damals nicht", sagt die Bayerin und lacht, "ich habe sie vergöttert, sie war mein Mentor - ich schätze sie sehr. Aber so jemand jahrzehntelang vor sich zu haben, kann auch sehr frustrierend sein." Und Frust ist oft der größte Feind des Erfolges.
Dabei ist die Geschichte der Jessica von Bredow-Werndl eine Erfolgsgeschichte. Mit vier saß Klein-Jessi erstmals auf dem Pferd, einem Pony namens Necoma. Ein Geschenk der Oma, das aber eher die Mama ritt. "Die Eltern haben uns dann Fohlen gekauft: Daran sieht man, dass wir keine Ahnung von Pferden hatten", sagt von Bredow-Werndl, die einen zwei Jahre älteren Bruder Benjamin hat, der auch zur deutschen Dressur-Spitze gehört.
Nahtod-Erfahrung: Vor Sardinien fast ertrunken
Eine Tante musste das wunderhübsch gelegene Gut Aubenhausen irgendwann verkaufen, und als Papa Werndl die Idee in den Raum warf, von Rosenheim dorthin zu ziehen, war der Jubel bei den Kindern groß. Noch heute, fast 30 Jahre später, lebt die Familie dort.
In der Zeit hat sich bei JBW viel getan. Seit über zehn Jahren arbeitet sie mit einem Mentalcoach zusammen, um dem Druck standzuhalten. Zur Spiritualität fand sie nach einer Nahtod-Erfahrung, als sie vor Sardinien fast ertrunken wäre. "Da begann die Suche nach meinem Antrieb. Es ist der Wunsch, mit Pferden zu tanzen. Das hilft mir, mich aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren: Mich immer wieder mit diesem kleinen Mädchen in mir verbinden, das lernen wollte, mit Pferden zu tanzen. Das fährt mich total runter." Und bringt sie vielleicht hoch aufs Podest - zu Gold.
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