Doping-Skandal um Felix Sturm: Sargnagel des Boxens

In der Diskussion um den Dopingfall Felix Sturm prangert Ringarzt Walter Wagner den Verband an. "Die Laschheit erschüttert".
von  Matthias Kerber
Der Deutsche Felix Sturm (l.) wurde in seinem WM-Kampf gegen Fjodor Tschudinow positiv auf ein Anabolikum getestet.
Der Deutsche Felix Sturm (l.) wurde in seinem WM-Kampf gegen Fjodor Tschudinow positiv auf ein Anabolikum getestet. © dpa/privat

Der Chefarzt für Chirurgie und Unfallchirurgie am Klinikum Bayreuth ist Deutschlands bekanntester Ringarzt. Der ehemalige Vizepräsident des Bundes deutscher Berufsboxer (BDB) führte 1980 Dopingkontrollen im Boxen ein.

AZ: Herr Doktor Wagner, der deutsche Boxsport wird vom Dopingfall Felix Sturm, der in seinem WM-Fight gegen Fjodor Tschudinow positiv auf ein Anabolikum getestet wurde, erschüttert. Was halten Sie, Deutschlands bekanntester Ringarzt, davon? Sturm erklärt, dass der Befund möglicherweise durch Artzney verursacht wurde, die er wegen einer Ellenbogenverletzung eingenommen hat.

DR. WALTER WAGNER: Es handelt sich bei der nachgewiesenen Substanz um einen Testosteron-Abkömmling. Der kommt in regulären Artzney hierzulande nicht vor, daher kann man das eigentlich ausschließen. Es wird ja dann auch immer gleich erzählt, dass ein Anabolikum im Boxsport nichts bringen würde. Das ist dummes Zeug. Da zitiere ich gerne den berühmten und viel zu früh verstorbenen Doping-Fahnder Manfred Donike. Der hat auf die Frage, was Anabolika bringen würden, gesagt: „Es führt dazu, dass ein Mann mit blanker Hand eine deutsche Eiche fällen kann.“ Noch Fragen? Doping bringt natürlich auch im Boxen etwas. Genau wie in eigentlich jeder anderen Sportart. Wenn man es zynisch sehen will, dann war der Sprinter Ben Johnson, der nach dem Gewinn der Goldmedaille über die 100 Meter bei Olympia 1988 des Dopings überführt wurde, eine tragische Figur. Er hatte nur den schlechtesten Arzt, die anderen – wie Carl Lewis – waren genauso voll, hatten aber Mediziner, die sich mit den Tests besser auskannten.

Sie waren 1980 dafür verantwortlich, dass im deutschen Boxsport überhaupt Dopingproben eingeführt wurden.

Das stimmt, das geschah zusammen mit dem Sauerland-Boxstall. Mir war klar, dass, wenn ich mich als seriöser Mediziner mit einer Sportart einlasse, die – um es freundlich zu sagen – in der Öffentlichkeit auf jeden Fall umstritten ist, zumindest garantiert sein musste, dass alles dafür getan wird, dass in dieser Sportart alles so sauber wie möglich vonstatten geht. Vergehen haben wir sofort bestraft. Das hat immer geklappt. Seit fünf Jahren aber nicht mehr. Wir waren schon auf einem guten Weg. Als Bodo Eckmann Präsident des Bundes deutscher Berufsboxer war, standen wir direkt davor, dass wir auch Trainingskontrollen einführen würden. Doch dann kam 2010 der Wechsel an der Spitze. Thomas Pütz wurde Präsident und seitdem ist das kein Thema mehr.

Dabei ist Doping jetzt sogar ein Straftatbestand.

Dies scheinen einige wichtige Herren noch nicht mitbekommen zu haben. Ich bin schlicht erschüttert über die Laxheit, die im Verband herrscht. Die Thematik wird zumindest ignoriert. Falls man nicht noch drastischere Worte verwenden will. Bei Sauerland gibt es diese Trainingskontrollen, und die sind dringend nötig. Wenn Pütz jetzt erzählt, dass die Test-kosten für so einen kleinen Verband nicht zu stemmen sind, ist das Unfug. Die Kosten werden von den Promotern getragen. Die Laschheit, mit der die Doping-Thematik heutzutage im BDB angegangen wird, ist in höchstem Maße bedenklich. Man muss sich ja nichts vormachen, der Boxsport ist in Deutschland doch auf einem dramatisch absteigenden Ast.

Doping als weiterer Sargnagel des Boxsports?

So kann man es sehen.

Im Fall Sturm gibt es sehr viele Ungereimtheiten.

Absolut! Warum wurden die Ergebnisse erst acht Wochen nach dem Kampf bekannt? Ich mache das jetzt seit 36 Jahren. Die Befunde waren immer acht, spätestens zehn Tage nach dem Fight da. Als Sturms Gegner Soliman 2013 überführt wurde, waren die Resultate auch nach acht Tagen da. Und jetzt soll der BDB acht Wochen keine Kenntnisse erlangt haben? Es ist schon sehr schwer zu glauben, dass wenn ausgerechnet einer unserer Boxer erwischt wird, alles schief läuft. Früher ging jeder Befund über meinen Schreibtisch, das ist jetzt nicht mehr so, seit Pütz an der Macht ist.

Der BDB hat sich auch nicht den Regularien der Weltdoping-Agentur WADA unterworfen.

Das sagt schon sehr viel aus.

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