Die Zukunft hängt am seidenen String
Das Münchner Sechstagerennen: Die Sixdays kämpfen mit viel Erotik und noch mehr Show ums Überleben. Die Zuschauerzahlen sind so rückläufig wie der Promi-Faktor.
MÜNCHEN Was macht man, wenn gar nichts mehr geht? Man setzt auf die Karte Sex. Denn Sex sells. Oder, wie sagte schon der Monaco Franze, der ewige Stenz, das Münchner Original? „A bisserl was geht immer.“
Und weil eben bei den Münchener Sixdays nicht mehr viel ging, im vergangenen Jahr die Zuschauerzahlen um 15 Prozent einbrachen, hat man sich auf die Erotik rückbesonnen. Die Sixdays wieder als Sexdays, denn die Zukunft der Münchner Rad-Institution in der Olympiahalle hängt am seidenen Faden – am String-(Tanga) sozusagen. „Wenn uns die Zuschauer signalisieren, dass sie kein Sechs-Tage-Rennen mehr sehen möchten, werden wir das zur Kenntnis nehmen und reagieren“, sagt Wilfrid Spronk, der Chef des Olympiaparks.
Doch zuerst will man andere Signale setzen. Und nicht mit Reizen geizen. „In unserer Disco, die keinen Extra-Eintritt kostet, werden Go-Go-Girls und männliche Tänzer für Unterhaltung wie in einem Nightclub sorgen“, kündigte Veranstalter Klaus Cyron vor dem heutigen Start der Sixdays (bis 11. November) an.
Das ist eine Abkehr von den Vorsätzen, die man noch vor einiger Zeit, nach Auswertung einer Studie der Münchner TU über das Zuschauerinteresse beim Bahnrad-Spektakel, gefasst hatte. Da behaupteten die Befragten steif und fest, dass ihnen Erotik bei den Sixdays nicht wichtig wäre. Wohl eher eine Pinocchio-eske Behauptung. Deswegen sagt Cyron: „Diese Art der Unterhaltung gehört einfach zum Sechstagerennen dazu.“
Damit das Event aber nicht in die Schmuddelecke abgleitet, gibt es noch ganz viele andere Neuerungen. Der Etat wurde um ein Viertel aufgestockt. Geld, das ins Marketing und ins Rahmenprogramm floss. „Noch nie war so viel geboten“, wirbt Veranstalter Cyron: „Atemberaubende Mountainbike- und Trampolin-Showeinlagen, Live-Bands, Kurven-Bar, Weißbierkarussel, Innenraum-Biergarten, Tandem-Fahrten durch die Steilkurven, und, und, und.“
65 000 plus X heißt die magische Zuschauer-Formel, die über Weiterleben oder Sterben der Münchner Sixdays entscheidet. „Wir brauchen jeden Mann“, appelliert Cyron, der 2007 einen fünfstelligen Verlust einfuhr. Damals kamen nur 60 800 Besucher.
Ein agiler und viriler Kraftprotz sind die Sixdays in München schon lange nicht mehr. Dafür muss man gar nicht bis 1949 zurückblicken, als beim ersten Rennen in den Ausstellungshallen auf der Theresienhöhe über 100 000 Karten verkauft wurden. Damals gab übrigens Heinz Rühmann, die Schauspiel-Legende, den Startschuss. Heute Abend schickt Löwen-Kapitän Benny Lauth, die 30 Fahrer auf die Strecke. Nichts gegen „Benny Bomber“, aber es ist offensichtlich: War das Münchner Sechstagerennen früher Promi-Treffpunkt, verirren sich heute nur noch selten Stars in die Olympiahalle. „Der Radsport steckt in der Krise“, befand Spronk.
Dopingsünder wie die Straßenfahrer Stefan Schuhmacher und Bernhard Kohl haben den Radsport krank gespritzt. Das Vertrauen der Leute in den Bahnradsport, der kaum Dopingfälle hervorbrachte, ist dahin. „Ich befürchte, dass die Fans nicht differenzieren“, sagt Cyron, dem die Vorverkaufszahlen Sorgen bereiten. „An der Abendkasse wird sich zeigen, ob die Menschen unser neues Konzept annehmen oder nicht.“
Dann wird sich zeigen, ob die Sexkarte gezogen hat. „A bisserl was geht ja immer“, aber ist das genug zum Überleben?
M. Kerber, J. Thieringer
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