„Die WM wird dafür sorgen, dass die Stadien voll werden“

Vorm Bundesliga-Start am Sonntag gegen Essen spricht Günter Wörle, Trainer der Bayern-Frauen, über die Folgen des EM-Triumphs, das Warten auf den bislang ausbleibenden Boom – und seine schwere Krankheit.
AZ: Willkommen zurück, Herr Wörle. Geht’s Ihnen wieder gut?
GÜNTER WÖRLE: Ja, zum Glück. Alles wieder okay. Es ist alles ausgestanden.
Drei Tage vor dem letzten Bundesliga-Spiel im Mai mussten Sie ins Krankenhaus. Was zuerst als Gallenkolik diagnostiziert wurde, entpuppte sich dann als Nierentumor.
Das war ein riesiger Schock. Was die Ursachen waren, ist nicht wirklich feststellbar. Natürlich habe ich viel nachgedacht, da hatte ich ja auch viel Zeit dazu. Erst im Krankenhaus nach der Operation, dann bei der Kur. Da fängst du schon an, das Leben anders zu bewerten, erst einmal andere Prioritäten zu setzen. Aber eben weil man nicht weiß, was dazu führte, kann ich auch nicht sagen, ob es vielleicht zu viel Stress war, ob ich etwas anders machen müsste.
Spüren Sie körperliche Einschränkungen?
Nein. Die linke Niere übernimmt nun auch die Aufgabe der rechten Niere, das ist gar kein Problem. Und es war einfach sehr schön, wieder die Arbeit zu beginnen. Ich hatte das Gefühl, die Spielerinnen haben sich auch Freude.
Die mögen Sie ja auch. Nicole Banecki meinte einmal, Sie seien für alle eine „Vaterfigur“.
Dass bei uns so eine Harmonie herrscht, freut mich. Wichtig ist einfach, dass es endlich los geht. Das wird auch Zeit. Wir hatten Ende Juli schon die Qualifikation für die Champions League, seitdem kein Pflichtspiel mehr, was natürlich auch an der EM lag.
Die endete für das deutsche Team mal wieder mit dem Titel. Wie werden Sie beim FC Bayern davon profitieren?
Das wird sich zeigen. Ganz gut, dass das Turnier erst kurz vorbei ist. Da schwappt vielleicht noch eine Euphorie mit rüber an den ersten Spieltagen. Wir haben mit Melanie Behringer ja auch eine Europameisterin, auch wenn wir jetzt keine fünf Nationalspielerinnen haben wie Frankfurt oder der FCR Duisburg.
Warum eigentlich nicht? Das sind zwei Vereine, die in der Meisterschaft letzte Saison hinter dem FC Bayern lagen. Haben die noch einen Bonus?
Schwer zu sagen. Die früheren Erfolge spielen bei denen sicher noch eine Rolle. Wir haben uns erst in der letzten Saison in die Spitzengruppe reingespielt. Als Vereinstrainer kann ich einerseits natürlich froh sein, weil wir jetzt nicht so viele Spielerinnen haben, die gestresst von der EM zurückkommen. Andererseits würde ich mich auch für die Spielerinnen Freude, wenn sie für den DFB spielen dürften. Das wäre eine schöne Anerkennung. Aber ich denke, da müssen wir Geduld haben. Wie mit der gesamten Entwicklung der Bundesliga.
Bei den Männern boomt die Liga, die Begeisterung für die Nationalmannschaft ist überschaubar, bei den Frauen ist es – in kleinerem Maßstab – bislang genau umgekehrt.
Das braucht noch Zeit. Das braucht einen behutsamen Aufbau. Nächstes Jahr ist in Deutschland die U20-WM, danach die große WM der Frauen. Das alles wird dafür sorgen, dass bei uns auch die Stadien voller werden. Dazu müssen wir aber auch als FC Bayern Erfolg haben.
Dann werden Sie diese Saison also Meister?
Das wird nicht so leicht. Zudem haben wir die Mehrbelastung in der Champions League. Am 30. September haben wir das erste Spiel bei Viktoria Szombathely, das heißt Dienstag ab nach Ungarn, Donnerstag früh wieder zurück in München. Ich bin gespannt, wie wir das wegstecken. Am 7.Oktober ist das Rückspiel, eine Woche später DFB-Pokal, am Wochenende immer Liga. Wir haben nur noch englische Wochen, dafür kaum noch Spielerinnen.
Sind so viele verletzt?
Ja. Gegen Essen fallen zehn Spielerinnen aus unserem 23er-Kader aus. Acht davon verletzt. Zuletzt hat es Stefanie Mirlach am Dienstag im Training erwischt. Außenband-Riss und Innenbandanriss im linken Knie. Vanessa Bürki und Caro Pini spielen für die Schweiz und Italien in der WM-Qualifikation. Das ist alles nicht gut. Darum werden wohl Carina Wenninger und Annika Doppler ihr Bundesligadebüt geben. Viel mehr darf uns an Ausfällen aber nicht mehr passieren, wenn wir von Anfang an vorne mitspielen wollen. Das muss unser Ziel sein.
Und Ihr persönliches Ziel, zwei Wochen vor dem 60.?
Erfolg zu haben und Freude im Beruf. Mein Vertrag läuft noch diese Saison, danach wird man sehen, Pläne habe ich darüber hinaus nicht. Und natürlich will ich gesund bleiben, ohne Rückfall.
Interview: Florian Kinast