Die Doppelzange
AZ-Kolumnist Busemann erklärt, warum sich die Weltklasse-Speerwerferinnen Obergföll und Nerius gegenseitig zu Topleistungen anstacheln: „So richtig grün sind sich die beiden ja nicht.“
BERLIN Es ist das Prinzip Chaos, gegen Konstanz. Im Speerwurf der Frauen hat die deutsche Leichtathletik bei der WM in Berlin (ab 15. August) gleich zwei Medaillenhoffnungen. Steffi Nerius (37), die ihren letzten großen Wettkampf bestreitet, und Christina Obergföll (27), die mit Bronze, die Nullnummer der deutschen Leichtathleten bei Olympia in Peking verhinderte. „Unsere Doppelzange“, meinte Deutschlands Zehnkampflegende Frank Busemann, der für diese AZ-Serie seinen Medaillenkandidaten vorstellt. „Eine Doppelzange, die nicht unterschiedlicher sein könnte“, sagt Busemann, der die beiden deutschen Speerspitzen vorstellt.
Wurfstil
„Nerius ist ein Wunder an Konstanz. Die könnte Robin-Hood-mäßig den Speer vor ihr mit dem nächsten Wurf spalten. Aber es geht halt nicht ganz so weit“, sagt Busemann. „Wenn Christina wirft, denke ich immer: Gleich fliegt der Arm hinterher. Die kann auch im letzten Wurf einem auf 70 Meter schmettern, aber auch mal volle Kanne bei 7,50 landen.“
Auftreten
„So richtig grün sind sich die beiden ja nicht“, weiß Busemann, „die peitschen sich gegenseitig, weil keine gegen die andere verlieren will.“ Nerius ist die ruhigere, Obergföll flippiger. „Steffi ist zurückhaltend, hinterfragt sich ständig. Sie war eine der Ersten, die offen mit einem Psychologen zusammengearbeitet hat. Zu einer Zeit, als man damit als Psycho-Steffi, die auf die Couch muss, abgekanzelt wurde“, sagt Busemann. Obergföll hingegen ist lauter, extrovertierter. „Sie weiß, was sie drauf hat, sie würde nie tiefstapeln. Da ist sie in ihrem Wesen zu amerikanisch. Nerius ist da viel deutscher.“
Privates
Nerius, die sich seit Jahren bei Bayer Leverkusen um die Behindertengruppe kümmert, wird dort Vollzeittrainerin. Der Selbstmord ihres Trainers Rudi Hars 1996 hat sie geprägt. Aufsehen erregte sie 2005 mit Aussagen über ihr Sexualleben. In der „Sport Bild“ meinte sie: „Ich begegne Menschen quasi ’geschlechtsneutral – mich interessiert ein toller Mensch – egal ob Mann oder Frau.’ Ich habe das nie so eng gesehen.“
„Das hat für Wirbel gesorgt“, weiß Busemann, „gerade weil Steffi ihr Seelenleben nicht so nach außen trägt.“ Obergföll wiederum verkauft sich gerne mal in erotischer Pose. Sie ist seit einem Jahr mit dem ehemaligen Weltklasse-Speerwerfer Boris Henry, dem Bundestrainer der Männer, liiert. An ihrem Kühlschrank klebt in goldenen Lettern der Satz: „2009 ist mein Jahr.“ Obergföll: „Wenn es das sportlich nicht wird, ist es das ja vielleicht schon privat.“
Matthias Kerber
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