Die Befehlsverweigerung des Obergefreiten Harting

Verteidigungsminister Jung verordnet dem Sportsoldaten Robert Harting Medientraining, DLV-Ehrenpräsident Digel setzt sich für ihn ein - nur sein Manager nimmt Abstand.
von  Abendzeitung

Verteidigungsminister Jung verordnet dem Sportsoldaten Robert Harting Medientraining, DLV-Ehrenpräsident Digel setzt sich für ihn ein - nur sein Manager nimmt Abstand.

BERLIN Im Juli war im „Bundeswehr Sport-Magazin“ eine Geschichte über Robert Harting zu lesen: Trainingsbesuch am Olympiastützpunkt Berlin-Hohenschönhausen. Der Autor hat Erstaunliches entdeckt: „Seit 2001, als Harting Vize-Jugendweltmeister, mehrfach Deutscher Jugendmeister und 2006 U23-Europameister wurde, habe er einen enormen Reifeprozess durchlebt, urteilt Harting über sich selbst. ’Mit meinen damaligen Erfolgen war ich überfordert’, sagt er, der von seiner Umwelt damals oft als emotional übermäßig gereizt und in seinem öffentlichen Auftritten häufig als provokant wahrgenommen wurde. Dies war vor allem in der Phase, als er von der Jugend- in die Männerkonkurrenz wechselte. Seither habe er einen inneren Wandel vollzogen.“ Man muss wohl froh sein, Harting nicht schon früher erlebt zu haben.

Reife ist nicht die erste Assoziation zu Harting. Seit Tagen tobt die Diskussion um die unsäglichen Sätze des 24-Jährigen („Wenn der Diskus aufkommt, soll er gleich gegen eine der Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben, damit sie wirklich nichts mehr sehen.“), doch daraus gelernt hat der WM-Sieger nichts. Mittlerweile hat sich gar der Verteidigungsminister eingeschaltet. Franz Josef Jung, oberster Dienstherr des Sportsoldaten der Bundeswehr-Sportfördergruppe Berlin, hat für Harting ein zusätzliches Medientraining angeordnet – und ihm geraten, künftig besser zu schweigen. Doch Deutschlands mittlerweile prominentester Stabsgefreiter sagte im ZDF: „Das ist ja quasi ein Befehl, das muss ich dann wohl machen. Dennoch bringt das nichts, weil ich nach wie vor ich bleiben möchte und mir den Mund nicht verbieten lasse.“ Klarer Fall von Befehlsverweigerung.

Die Diskussion um seine Dopingopfer-Schelte sei doch jetzt bitteschön vorbei, hofft Harting: „Was soll ich denn jetzt tun? Ich kann ja mal bei Bundeskanzlerin Angela Merkel anklopfen und das durch ein großes Mikro sagen.“ Einsicht oder gar Demut klingen anders. In Helmut Digel hat er nun einen prominenten Fürsprecher gefunden: „Ich werde mich im Präsidium dafür einsetzen, dass ein junger Mensch wie er diese Bewährungsprobe erhält“, sagte der DLV-Ehrenpräsident. Trainer Werner Goldmann, der weiter nicht über seine Verstrickung ins DDR-Doping-System reden will („keine Lust“), sagt: „Der ist schon in Ordnung, der Junge.“ Manager Ralf Grengel hat sich derweil von Harting getrennt, schon vor der WM, sagt Grengel. Harting überlege, das Management demnächst allein zu machen.

Seit 2006 wird Harting als Heeresuniformträger beim Organisationsbereich Streitkräftebasis geführt. Laut „Bundeswehr Sport-Magazin“ heißt das Motto für Sportfördersoldaten: „30 Prozent marschieren, 70 Prozent trainieren.“ Für Kopfarbeit ist da keine Zeit mehr.

Thomas Becker

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