DFB-Frauen: "Am Druck gescheitert"

Hier erklärt Siegfried Dietrich, Manager in Frankfurt und einer der profundesten Kenner des Frauenfußballs,  das frühe Aus der deutschen Frauen. Bei seiner Analyse kommt die Bundestrainerin nicht gut weg.

AZ: Herr Dietrich, bei Ihrem Klub, dem 1. FFC Frankfurt, stehen mit den Neuzugängen Kim Kulig und Fatmire Bajramaj insgesamt acht Nationalspielerinnen unter Vertrag, die gerade bei der WM unter Tränen ausgeschieden sind. Wie sehr sind Sie, der Manager, als Psychologe gefordert?

SIEGFRIED DIETRICH: Es ist der Super-GAU eingetreten – ein Albtraum. Ich glaube, dass viele die Situation noch nicht richtig realisiert haben, während ich sicherlich ein ganzes Stück weiter bin.

Nämlich?
Die Erwartungen waren zu hoch. Die Spielerinnen sind wahrscheinlich daran gescheitert, dass alles nur auf den WM-Sieg ausgerichtet war. Dieser Druck war ein ständiger Begleiter für alle – auch die Verantwortlichen. Fatal ist, dass wir eigentlich genau wollten, dass diese Popularität aufgebaut wird.

Haben Sie wie Ihre Spielerinnen auch geweint?

Wenn Deutschland Weltmeister geworden wäre, hätte ich den Effekt mit dem WM-Gewinn der Männer 1974 verglichen. Diese Chance ist verpasst. Ich gebe zu, dass ich am Samstag erst schweißgebadet, dann auf dem Weg zum Mannschaftshotel sprachlos war. Ich habe erst Worte gefunden, als ich die Spielerinnen in den Arm genommen habe. Da musste man standhaft sein.

Wie gehen Sie mit Problemfällen um wie Kim Kulig, die sich schwer verletzt hat, und Birgit Prinz, die mitten im Turnier aussortiert wurde?

Ich habe mit der Familie Kulig in der Nacht zu Sonntag mehrere Stunden verbracht, die ganze Familie ist im positiven Sinne auf die Tochter ausgerichtet – die waren völlig aufgelöst. Die meisten brauchen jetzt einfach Ruhe, um das alles zu verarbeiten. Keine einfache Sache. Kim Kulig hat einen beeindruckenden Satz gesagt: ‚Wenn dieser Kopfball wenigsten drin gewesen wäre, hätte der Kreuzbandriss einen Sinn gehabt.’ Das zeigt, wie viel die Mädels für den Titel gegeben hätten.

Und der Fall Birgit Prinz?

Mit ihr habe ich auch lange gesprochen. Wir würden uns Freude, wenn sie beim 1. FFC Frankfurt weiterspielt, weil sie eine ganz starke Persönlichkeit ist. Ich hätte nach ihrem Auftritt bei der Pressekonferenz geglaubt, dass sie im Japan-Spiel eine große Hilfe gewesen wäre. So eine Führungspersönlichkeit hat gefehlt.

Das klingt nach Kritik an Bundestrainerin Silvia Neid.

In anderen Teams wird auf solche Stars gesetzt: Abby Wambach ist bei den USA auch nicht mehr auf ihrem Zenit, aber mit ihrer Erfahrung köpft sie in der letzten Minute das 2:2 gegen Brasilien. Die Bundestrainerin hat vielleicht gedacht, dass es so funktioniert. Die deutsche Mannschaft hat früher immer eine gute Mischung zwischen erfahrenen und jungen Spielerinnen ausgemacht. Mir hat auch eine Spielerin mit prickelnder Lebendigkeit und kreativen Elementen gefehlt.

Sie meinen Fatmire Bajramaj. Sie stand symbolhaft für die Diskrepanz zwischen Präsenz in der Werbung und der sportlichen Leistung.

Lira hat alles im Vorfeld gut gemeistert und hatte Spaß dran – das war kein Hemmschuh. Sie hat mit ihrer sympathischen Art mit dazu beigetragen, dass sich dieser Aufmerksamkeitsgrad entwickelt hat.

Sie haben behauptet, dass Team sei keine Einheit gewesen. Gab es Cliquenbildung?

Das hat mit Cliquenbildung nichts zu tun. Ich habe gesehen, dass das Team auf dem Platz nicht als richtig eingespielte Einheit aufgetreten ist, keiner da war, der das Heft in die Hand genommen hat und das vorhandene Potenzial kaum abgerufen wurde. Woran das auch immer lag!

Wenn im Männerbereich ein Ziel so krass verfehlt wird, ist der Trainerposten in Gefahr.

Eine Niederlage mit so einer Auswirkung ist für den deutschen Frauenfußball neu. Es ist wichtig, dass der DFB eine umfassende Analyse vornimmt und einen guten Weg für die Zukunft findet.

Am 21. August startet schon die Frauen-Bundesliga. Was erhoffen Sie sich?

Zuerst hoffe ich auf eine schöne Kulisse, vielleicht 5000 Zuschauer. Durch die WM hat der Frauenfußball enorm gewonnen: Die Gesichter haben sich eingeprägt, ich glaube, dass uns das deutlich nach vorne bringt.