Deutschland? Angeschlagen!
Nach dem Aus von Tommy Haas finden die Australian Open ohne deutsche Spieler statt.
MELBOURNE In der Spielerlounge des National Tennis Centers von Melbourne hatte sich beinahe Stille ausgebreitet: kein Zoff am Büffet, kein Gedrängel, kein Geschubse. Am ersten Turniersonntag der Australian Open waren die meisten Spieler mit ihren Familienclans schon längst verschwunden, unterwegs zu anderen Einsatzorten – und am großen Exodus haben sich die Deutschen kräftig beteiligt. Nur noch ein paar Doppel- und Mixedspieler sind noch da, der versprengte Rest einer 19-köpfigen DTB-Armada, die sich schon drei Runden aufgelöst hat.
Seit der angeschlagene Tommy Haas am Samstag den Knockout-Schlag von Tennis-Ali Jo-Wilfried Tsonga erhielt (4:6, 6:3, 1:6, 5:7), sind keine deutschen Individualisten mehr im Spiel. Das Bild, wie Haas vom Physiotherapeuten im zweiten Satz durchgeknetet wurde, hatte Symbolcharakter: Deutschland – ein Patient, der buchstäblich auf dem Boden lag. Den Deutschen fehlen die letzten paar Prozente Klasse, Konstanz und physische Robustheit, um es mit Federer, Nadal oder auch Tsonga aufzunehmen.
Haas wird den Topstars diese Woche betrübt zuschauen, wenn es um den Titel geht. Denn der 31-Jährige könnte noch am ehesten für Knalleffekte sorgen. Aber der ewige Pechvogel, der wie kein anderer in seiner Karriere unter Verletzungen litt, ist schon wieder angeschlagen. Gegen Tsonga plagten ihn Hüft-, Rücken- und Knieschmerzen. Fast ein wenig wehmütig schaute er hinüber zum explosiven, jugendlichen Tsonga, Haas wirkte wie ein Boxer, der in den Seilen hing und auf den Wurf des Handtuchs wartete.
Noch vor den ersten Ballwechseln hatten sich die deutschen Spieler zur Besprechung im Grand Hyatt Hotel getroffen – ein imposantes Gruppenbild mit zehn Profis aus den Top 100. „Solange man nicht im Viertel- oder Halbfinale steht, ist man nicht auf dem Radarschirm", hat da der Augsburger Philipp Kohlschreiber festgestellt, um danach in Runde drei gegen Nadal zu verlieren. Und so stellte Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen, der Anfang März in Toulon gegen Frankreich wohl auf Haas („Ich muss mich erst mal gründlich durchchecken lassen") verzichten muss, lapidar fest: „Ein besonderes Ergebnis gab es hier nicht."
Im Fed Cup-Revier von Teamchefin Barbara Rittner sieht es auch nicht besser aus. Fürs Spiel in Tschechien hat sie Andrea Petkovic, Anna-Lena Grönefeld und Kristina Barrois nominiert. Keine davon hat in Melbourne überzeugt. Einzig Angelique Kerber spielte bis Runde drei gut. Sie aber hat eine so schlechte Bilanz gegen die meisten Tschechinnen, dass Rittner sie nur als Ersatz aufbieten will.
yb>Jörg Allmeroth