Der Werth-Skandal
WARENDORF - Erst Springreiter Beerbaum, nun Deutschlands erfolgreichste Dressurreiterin! Sie soll ihren Wallach Whisper mit Psychopharmaka gedopt haben: „Eine Katastrophe für den Pferdesport."
Ihr Name steht für Erfolg: Isabell Werth (39) hat fünfmal – zuletzt 2008 in Hongkong – Olympia-Gold gewonnen. Sie wurde sechsmal Welt- und zwölfmal Europameisterin. Sie ist Deutschlands beste Dressurreiterin – und sorgt nun für einen der größten Doping-Skandale im deutschen Pferdesport. Beim Pfingstturnier in Wiesbaden wurde ihr Nachwuchspferd Whisper in der A-Probe positiv getestet – auf das Psychopharmaka Fluphenazin, das beim Menschen unter anderem zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt wird.
Das Mittel steht auf der Dopingliste des Weltverbandes FEI. Von der FEI wurde Deutschlands bekannteste Reiterin, wie es die Regeln erfordern, umgehend suspendiert. Werth droht eine maximal zweijährige Sperre – und der Reitsport hat seine nächste große Krise.
Isabell Werth hat den positiven Doping-Befund bei ihrem Pferd Whisper „zutiefst“ bedauert. „Ich bin mir bewusst, dass ich zu Zweifeln an der Redlichkeit und Sauberkeit meiner Person und unseres Sports Anlass gegeben habe. Ich entschuldige mich auf diesem Wege bei allen, die dem Reitsport und mir verbunden sind. Selbstverständlich werde ich alles tun, um an der Aufklärung der noch eventuell verbleibenden Fragen mitzuwirken“, sagte Werth am Mittwoch in einem schriftlichen Statement. Werth erklärte die Einnahme des Medikaments mit dem verbotenen Wirkstoff Fluphenazine mit der Erkrankung ihres Pferdes am sogenannten „Shivering Syndrom, zu Deutsch Zitterkrankheit genannt“. Es handele sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die Gleichgewichtsstörungen auslöse, wenn das Pferd – wie zum Beispiel beim Beschlagen, Bandagieren und Putzen – längere Zeit auf nur drei Beinen stehen könne.
Madeleine Winter-Schulze, die Besitzerin des zehn Jahre alten Wallachs Whisper, reagierte geschockt: „Es ist furchtbar. Jetzt lassen erstmal alle die Flügel hängen.“ Ihr gehören zehn weitere Pferde, die von Werth geritten werden, darunter die vierbeinigen Stars Satchmo und Warum nicht. Allerdings verteidigte sie Werth: „Ich bin ihr nicht böse. Sie konnte nichts dazu. Es hatte einige Tage zuvor eine Behandlung gegeben, aber der Arzt hatte Grünes Licht für das Turnier in Wiesbaden gegeben:"
Ansonsten jedoch fiel das Urteil über Werths mutmaßliches Psychopharmaka-Doping bei Whisper weit weniger gnädig aus. „Das ist natürlich extrem enttäuschend“, sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. „Jeder Dopingfall ist katastrophal, aber bei einem Vorbild wie Isabell Werth ist man noch stärker betroffen.“ Und weiter: „In jedem Fall ist Fluphenazin eine Substanz, die meines Wissens in kein Pferd gehört.“
Droht nun auch der Reitsport, wie zuvor der dopingverseuchte Profiradsport, im Dopingsumpf zu versinken? „Das ist eine Katastrophe für den Pferdesport“, gab zumindest Breido Graf zu Rantzau, der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), zu. Das Schlimme daran: Es ist eine Katastrophe unter vielen. Denn zuletzt wurde bereits Springreiter Christian Ahlmann wegen Dopings bei seinem Pferd Cöster während Olympia für acht Monate gesperrt. gegen Springreiter Marco Kutscher läuft bei der FEI ein Verfahren. Und nachdem Topstar Ludger Beerbaum offen über seinen Umgang mit Medikationen („Erlaubt ist, was nicht gefunden wird“) gesprochen hatte, hatte die FN Ende Mai auch auf Druck von Fernsehen und Sponsoren die Elite-Kader aufgelöst.
Das rigorose Vorgehen des Verbandes hatte übrigens nicht Werths ungeteilte Zustimmung gefunden. Am Rande der deutschen Meisterschaften vor zehn Tagen in Balve hatte die Juristin der FN im Anti-Dopingkampf Aktionismus vorgeworfen. Dass bislang jeder positive Befund als Doping gilt? „Das geht nicht. Ich muss Pferde medizinisch behandeln können“, hatte die 39-Jährige gesagt. Ob sie das kann, ohne gesperrt zu werden, entscheidet am heutigen Donnerstag ein Tribunal des Weltverbandes. Nach einer Telefonkonferenz wird die FEI entscheiden, ob Werth suspendiert bleibt.
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