Der Unantastbare
Größen wie Sampras, Wilander und Borg verneigen sich vor Federer. Nun freut sich der Schweizer auf seine Rolle als Familienvater.
PARIS In seinem Haus in Kalifornien hatte Pete Sampras am Sonntag in aller Herrgottsfrühe den Fernseher eingeschaltet. Tennis schaut der Amerikaner nur noch selten, seit er 2002 in Wimbledon mit dem 14. Grand Slam-Titel seine Karriere beendete. Lieber geht er selbst auf den Court oder dreht seine Runden beim Golfen. Aber dass er die Liveübertragung des French Open-Finales verfolgte, war ihm eine Herzensangelegenheit. „Roger Federer ist ein guter Freund“, sagte er, „und es gibt keinen Zweifel mehr für mich: Er ist jetzt der Größte, den das Tennis je gekannt hat.“
Am Tag nach Federers Triumph im Sand von Roland Garros stand Sampras in einer endlosen Schlange der Gratulanten - in der sich Größen wie Björn Borg, Andre Agassi oder auch Federers Kumpel Tiger Woods befanden. Der Golfchampion telefonierte nach dem finalen Tennis-Glücksmoment von Paris mit dem Eidgenossen und versicherte ihm, keiner habe die Krönung der Karriere „mehr verdient als Du“. Der Eidgenosse sei ihm wie „ein Ausbrecherkönig“, befand derweil Schwedens ehemaliger Tennis-Großmeister Mats Wilander, „wie er sich in diesem Turnier aus allem möglichen Schlamassel befreite, wie er sein Glück erzwang, das war schon denkwürdig“.
Und tatsächlich, dies war auch der Grundtenor bei allen Elogen auf Federer: Gekrönt hatte sich der 27-jährige Maestro zum „Unantastbaren des Tennis" (Tennis Weekly) mit einer faszinierenden Unbeirrbarkeit, Mumm und Courage. „Spielerische Exzellenz allein reicht nicht aus, um Roland Garros zu gewinnen", schrieb die „Times“, „dazu braucht es noch mehr.“ Und dieses Mehr hatte Federer, um im elften Anlauf endlich seine Mission Roland Garros zu erfüllen.
„Ich bin sehr stolz auf meine Karriere“, sagte Federer selbst, „ich habe schon viel mehr erreicht, als ich je zu hoffen gewagt hatte.“ Paris habe ihm den „größten Druck“ aufgeladen, „weil mir bewusst war, dass mich alle erst mit einem Sieg hier für einen kompletten Spieler halten“.
Dass er nun doch noch den „Coupe des Mousquetaires“ in die Höhe stemmen konnte, lag auch an der ungeteilten Sympathie der Pariser zu ihm. Wie er all die bitteren Niederlagen wegsteckte, das imponierte dem launischen Publikum. Und als ihn französische Journalisten fragten, ob er sich so sehr über den Titel Freude, weil er 27 Jahre auf diesen Triumph habe warten müssen, bewies Federer unerwartet Humor. „Ich habe nicht 27 Jahre auf diesen Titel gewartet“, sagte er, „vor 27 Jahren bin ich gerade auf die Welt gekommen. Und meine Eltern haben nie zu mir gesagt: ,Wenn du Roland Garros nicht gewinnst, stecken wir dich ins Waisenhaus.’“
Bleibt die Frage: Wohin führt den „Unantastbaren“ nun der Weg in den späten Karrierejahren? Ehemann ist er schon geworden vor ein paar Wochen, als er seine langjährige Lebenspartnerin Mirka Vavrinec heiratete. Vater wird er bald auch, wenn das Paar im Juli das erste Kind erwartet. Doch der nun von allem Druck befreite Federer wird wohl auch diese Rollen neben der des erfolgreichen Tennis-Unternehmers meistern. „Wenn jemand in einer privilegierten Situation ist mit seiner Familie, dann wir - Mirka und ich. Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte Federer über seine Rolle als Familienvater. Und wer wollte daran auch zweifeln? Nach diesem strahlenden Tag in Paris. Dem Tag, an dem er auch das letzte Rätsel seiner Karriere löste.
Jörg Allmeroth
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