Der Jügi von Istanbul

Der Bundestrainer mag die Türken und schwärmt von seiner Zeit bei Fenerbahce. Sein damaliger Co-Trainer erklärt im Interview, was Löw dort gelernt hat.
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„Die Zeit in Istanbul hat mich unheimlich geprägt, auch für mein weiteres Leben“: Jogi Löw.Fotos: dpa, Getty
dpa 2 „Die Zeit in Istanbul hat mich unheimlich geprägt, auch für mein weiteres Leben“: Jogi Löw.Fotos: dpa, Getty
Frank Wormuth, einst Löws Gehilfe, jetzt Trainerausbilder.
Bongarts/Getty Images 2 Frank Wormuth, einst Löws Gehilfe, jetzt Trainerausbilder.

Der Bundestrainer mag die Türken und schwärmt von seiner Zeit bei Fenerbahce. Sein damaliger Co-Trainer erklärt im Interview, was Löw dort gelernt hat.

TENERO Das Fußballgeschäft ist hart am Bosporus. Am Sonntag hat Fenerbahce Istanbul den Rauswurf von Trainer Zico bestätigt. Er war nur Zweiter geworden hinter Meister und Lokalrivale Galatasaray – was für eine Schmach. Für Zico gilt: Güle, güle – und tschüs!

Spaniens Teamchef Luis Aragones gilt als einer der Nachfolgekandidaten, aber auch Joachim Löw, der Bundestrainer. Die Internetseite „Maraton“ hat berichtet, dass für Löw bereits Zicos Villa im Villenviertel Kandilli Hasbahce eingerichtet werde.

Für Löw kommt das nicht in Frage, er möchte die Nationalelf zur WM 2010 frühen. Höflich und freundlich dementierte er Kontakte. Doch eine Rückkehr zu Fenerbahce, dort trainierte Löw in der Saison 1998/99 (das Team wurde nur Dritter), wäre ein Rückschritt. Rein sportlich. Rein menschlich war die Zeit in der Türkei – Löw trainierte außerdem Anfang 2001 für acht Wochen den Erstligisten Adanaspor – sehr wertvoll. „Ein Halbfinale einer EM ist schon etwas Besonderes, aber natürlich freue ich mich speziell auf das Treffen mit der Türkei“, sagte Löw gestern und berichtete mit strahlenden Augen von seiner Zeit vor Ort: „Das hat mich unheimlich geprägt, auch für mein weiteres Leben. Ich habe eine unglaubliche Gastfreundschaft, Menschlichkeit und Herzlichkeit erlebt. Das hat mir viel gegeben.“ Löw war der Jügi von Istanbul.

1998 hatte Löw als Assistenten Frank Wormuth mit nach Istanbul genommen. „Die Erfahrung Türkei hat Jogi und mir gezeigt, dass man mit anderen Kulturen anders umzugehen hat“, erzählte Wormuth (47) der AZ, „ die Türken haben einen ganz anderen Stolz. Einen türkischen Spieler vor versammelter Mannschaft zu kritisieren, ist kritisch, da sich dieser persönlich angegriffen fühlt und anschließend beleidigt ist. Ein türkischer Spieler wird von zu Hause gepuscht, ihm wird eingeredet, dass er der beste Spieler der Welt werde.“

Eine lehrreiche Zeit also, um das richtige Gespür im Umgang mit Spielern, mit den verschiedensten Charakteren, zu finden. Ein zwischenmenschliches Abenteuer, bis zu akutem Unwohlsein und einer Prise Angst. „Einmal hatten wir ein Spiel nicht gewonnen, wollten von Ankara zurück fliegen. Am Flughafen sind wir von Fans eineinhalb Stunden blockiert worden“, erzählte Wormuth, heute Trainerausbilder beim DFB, „weil die Verantwortlichen Angst hatten, die Fans würden uns überrennen, haben wir am Tag danach dann auch nicht zu Hause auf unserem Gelände trainiert, sondern sind direkt zum nächsten Auswärtsspiel geflogen und haben dort ein Trainingslager aufgeschlagen.“ Was später verbucht wird unter: Wertvolle Erfahrungen.

„Ich habe gelernt, was es heißt, sich mit einem Verein zu identifizieren. Dieser Stolz und diese Identifikation sind in der Türkei ausgeprägter als in kaum einem anderen Land. Jetzt steht eine ganze Nation mit Herzblut hinter der Mannschaft“, sagte Löw, der von der Zeit am Bosporus auch fachlich als Trainer profitiert hat. Wormuth: „Im Ausland kommt die interkulturelle Kommunikation hinzu. Man lernt, die andere Kultur zu respektieren. Jogi denkt Multikulti, er war schon immer um eine saubere Konfliktlösung bemüht und ein geduldiger Typ. Er musste sich nie verstellen, nicht irgendeine Rolle spielen. Vielleicht hat die Erfahrung Türkei ihn ein noch ein bisschen ruhiger gemacht. Aber er wusste damals schon, wie Fußball funktioniert.“

Anders als in Istanbul zählt allerdings beim DFB Platz zwei noch etwas.

Patrick Strasser, Thorsten Klein

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