„Der Hulk Hogan der Leichtathletik“
Zehnkampf-Legende Busemann stellt die deutschen Medaillenanwärter bei der WM in Berlin vor. Mit dem schrillsten Kandidaten fängt er an: Der Diskuswerfer Harting, der pöbelt und seine Gegner nervös macht.
BERLIN Naja, allzu viele deutsche Medaillenanwärter gibt es nicht, wenn am Samstag in Berlin die Leichtathletik-WM beginnt. Die wenigen kennt kaum einer besser als Frank Busemann, die Zehnkampf-Legende. Für die AZ stellt er seine Kandidaten vor – aus der Nähe und mit all ihren Macken. Für den Auftakt hat er sich einen ausgesucht, der davon reichlich hat.
Es geht um Robert Harting, den Diskuswerfer. Fast wäre der gar nicht zur WM angetreten. Harting („ich bin dopingfreie Zone“) hatte sich mit seinem Trainer Werner Goldmann überworfen. Der ehemalige DDR-Coach hatte schriftlich versichert, nie etwas mit dem DDR-Dopingsystem zu tun gehabt zu haben: Das stellte sich als unwahr heraus. Harting war so empört, dass er im Frühjahr die Karriere beenden wollte: „Ich habe nicht ans Aufhören gedacht. Ich hatte schon aufgehört. Ich dachte, ich boxe etwas und lass’ mir für zwei Millionen von den Klitschkos die Fresse polieren, fertig.“
Doch eine letzte Aussprache mit Goldmann stimmte Harting um. Der sagte: „Wenn mehrfache Mörder wieder auf freien Fuß kommen, ist es ja wohl keine Frage, ob mein Trainer eine zweite Chance verdient.“ Sprüche wie diese, 2,01 Meter Körpergröße und 130 Kilo Gewicht haben ihm den Spitznamen „Silberrücken“ eingebracht.
„Wenn man man ’ne richtige Type erfinden müsste, sähe er genau so aus. Bei ihm weiß man nie, er ist unberechenbar“, sagt Frank Busemann, Silbermedaillengewinner bei Olympia 1996. „Robert ist groß, dunkel, unheimlich. Ein böser Blick und du machst das Duckmäuschen. Ich habe viel Freude an ihm, aber ich würde mich selber nie trauen, was er so alles ablässt.“
Etwa vor gut einem Jahr, als Harting seine Kollegen Lars Riedel als „Egozentriker“ und Michael Möllenbeck gar als „Säufer“ diffamierte. Kaum gesagt, entschuldigte sich Harting. Auf seine Weise. Busemann erinnert sich: „Da sagt er dann: ,Ich nehme alles zurück. Aber meine Mama hat mir gesagt, ich soll immer ehrlich sein.’ Ein Knaller!“ Busemann weiter: „Egal ob er beim Jubel das T-Shirt zerreißt oder so was sagt: Robert ist der Hulk Hogan der Leichtathletik.“
Hulk Hogan, der legendäre US-Catcher, der auch seine Shirts schreddert, die Muskeln spielen lässt und auf seine Gegner losgeht.
Für die WM in seinem Berlin hat sich Harting den nächsten Affront ausgedacht. Er will seinen Konkurrenten, den Esten Gerd Kanter, aus der Ruhe bringen, indem er das estische Nationaltrikot als Schweißtuch benutzt. „Mal sehen, was passiert“, sagt Harting über seine Psychospielchen. Oder wie er es selber mal umschrieben hat. „Im Sport ist 90 Prozent mental, der Rest ist Kopfsache.“
Busemann findet: „Das ist für mich der Spruch des Jahres. Und Leistung bringt Robert auch. Er ist für eine Medaille gut."
Matthias Kerber
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