Der erste Schritt zum Jakobsweg
INNSBRUCK - David Villa hat mit drei Treffern die Sbornaja fast im Alleingang abgeschossen. Spanien ist nach dieser Vorführung exklusives Mitglied des Favoritenkreises, für die Russen droht die EM ein frühes Ende zu nehmen.
Er ballte die Faust, immer wieder. Dass es im Innsbrucker Tivoli heftig regnete? Trainer Luis Aragones war’s egal. Der 69-Jährige Freude sich lieber mit seinen Spaniern über einen gelungenen Start in die EM, über das starke 4:1 gegen Russland und die Tabellenführung in Gruppe D. Besser geht’s kaum.
Viel wichtiger aber für den Auswahltrainer: Das Spiel lässt die Kritiker verstummen, die Aragones die Ausbootung von Raul, dem Superstar von Real Madrid und spanischen Rekord-Torschützen (44 Treffer in 102 Länderspielen), übel genommen hatten. Aragones’ Begründung für die Nichtberücksichtigung: „Es gibt noch andere Spieler, die mehr Tore als Raul geschossen haben und ebenfalls nicht bei der EM dabei sind.“ Günter Netzer, der ARD-Experte und ehemalige Profi von Real Madrid: „Der Fall Raul ist ein Politikum in Spanien. Wenn das nicht gut geht, werden die Fans Aragones das nie verzeihen.“
Muntere Konter der Spanier
Doch zum Start ging’s gut. Und wie. Eben weil die Stürmer, den Aragones vertraut, so gut in Form sind. Fernando Torres, der Torjäger des FC Liverpool, hat in der englischen Premier League in seiner ersten Saison in 33 Punktspielen 24 Treffer erzielt – am Dienstag überzeugte er als Vorbereiter. Beim 1:0 (20.) legte er den Ball uneigennützig auf Sturmpartner David Villa, und der Angreifer des FC Valencia vollstreckte aus elf Metern. Und die Spanier, 2004 in Portugal noch in der Vorrunde gescheitert, legten mit munteren Kontern nach: Einen genialen Steilpass von Iniesta schob wiederum Villa durch die Beine von Russlands Torwart Akinfejew – 2:0 (44.). Eine Viertelstunde vor Schluss erhöhte Villa auf 3:0.
Der erste Dreierpack der EM – den Villa aber zu ausgelassen feierte: Nach Spielende mussten zwei angeknackste Finger bandagiert werden. „Das ist beim Jubeln passiert“, sagte Villa. Er führt nun die Torschützenliste vor Lukas Podolski (2 Tore) die an. Dass Pawljtschenko noch für Russland traf, störte die Spanier kaum. Zumal Cesc Fabregas, der Joker, auch noch stach – 4:1 (90.).
Das gefiel Luis Aragones natürlich sehr. „Ich bin glücklich“, sagte er lächelnd. Spielt der Europameister von 1964 weiter so stark auf, wird von Raul wohl bald keiner mehr sprechen. Was dem Trainer wohl nicht ungelegen käme, schließlich will er sich zum Ende seiner Nationaltrainer- Karriere einen Lebenstraum erfüllen, wie er vor dem Turnier verraten hat: „Wenn Spanien die EM gewinnt, werde ich mich mit meiner Frau auf den Jakobsweg machen.“
Der Sieg gegen die keineswegs schwachen Russen war schon ein erster Schritt nach Santiago de Compostela zum Grab des Heiligen Jakob. Und die Russen? Die schlichen geknickt vom Platz. Ihr Trainer Guus Hiddink sagte: „Ich bin natürlich enttäuscht. Wir haben eine Lehrstunde im Konterfußball erhalten.“ og.