Der Bundesliga-Meister-Krimi im Radio: Emotionen für die Ohren
MÜNCHEN - Bei „Heute im Stadion“ auf Bayern1 erfüllen und zerschlagen sich Titel-Träume. Live. Immer Samstags, so lange die Bundesliga-Saison dauert. Christoph Deumling ist der Moderator. Seit zwölf Jahren. Und 383 Sendungen.
Um 18 Uhr, wenn die Sendung vorbei ist, wird Christoph Deumling noch kickern. Wie jeden Samstag, mit ein paar Kollegen, im Studio von Bayern 1. Ein langjähriges Ritual, und danach geht es in die Sommerpause. „Die ersten freien Samstage werde ich genießen“, sagt Deumling, „aber ich weiß schon jetzt, dass es mir in fünf, sechs Wochen schon wieder abgehen wird.“ Weil es schon wie eine Sucht ist. Für ihn als Moderator so wie für die Hörer draußen im Land. „Heute im Stadion“, in Bayern1 am Samstagnachmittag. Fußball für die Ohren.
In den zwölf Jahren als Moderator kam Deumling auf 383 Sendungen, und natürlich ist vieles Routine. „Die Vorbereitung, die ab Montag läuft“, sagt der 52-Jährige, „die Abstimmung mit den ARD-Anstalten, welcher Reporter zu welcher Uhrzeit für welchen Sender berichtet. Aber ab Anpfiff“, sagt Deumling, „ist dann eh immer alles anders.“
Samstag um halb vier in Deutschland. Weil nicht mehr vorsehbarbar. Ein Tor in Karlsruhe, Bielefeld oder Dortmund, und schon ist die ganze Planung über dem Haufen.
Lange hatte das Radio das Live-Monopol
Und erst recht, wenn am Samstag Bremen in Wolfsburg trifft. Und die Bayern noch Meister werden. Die Sechzger, Deumlings Herzensverein, waren auch mal Meister. Das weiß zwar kaum noch einer, weil es schon so lange her ist, aber Deumling erlebte es als neunjähriger Bub am Radio mit, und auch später hörte er jeden Samstagnachmittag die Sendung, die es seit 1964 gab. Ob daheim in Bogenhausen oder unterwegs am Transistor.
Lange hatte das Radio das Live-Monopol. Im Fernsehen durfte erst ab 18 Uhr Onkel Heribert sein Gutnabendallerseits über den Bildschirm faßbendern, aber live gab es noch kein aufgeregtes inhaltsleeres Marktgeplärre jung dynamischer TV-Kommentatoren bei ihrer Konferenz, live gab es nur das sonore Brummen von Fritz Hausmann über den Rundfunk-Äther.
Hausmann ist lange tot. Aber die Sendung lebt. So wie immer. Drei Stunden, von drei bis sechs. Und fast ganz ohne Musik. Ohne lästige Nebengeräusche. Im Radio geht es um das Wesentliche.
"Der Reporter ist der Maler"
„Radio“, sagt Deumling, der im TV-Studio Freimann auch die „Abendschau“ moderiert, „ist faszinierender, schneller, emotionaler. Im Radio kannst du als Hörer abtauchen, dir viel mehr vorstellen. Der Reporter ist dabei der Maler, der dir ein Bild zeichnet.“ Im Fernsehen hat jeder die Bilder auf dem Schirm. Im Radio hat er sie im Kopf.
Im Kopf hat Deumling noch die packendsten letzten Spieltage seiner Moderatorenzeit. Alle um die Jahrtausendwende. 1999, als der legendäre Günther Koch im Frankenstadion auf seinem Reporterplatz halb kollabierte, weil sein 1. FC Nürnberg das Unmögliche möglich machte und doch noch abstieg, weshalb Koch nur ein fassungsloses „Ich pack es nicht“ ins Mikrofon japste. 2000, als sie im Olympiastadion Leverkusens 0:2 in Haching meldeten und Eddi Endres sich heiser brüllte („Das Stadion kocht“), weil Bayern doch noch Meister wurde.
2001, als Manni Breuckmann, die Stimme des Ruhrpotts, in Schalke vier Minuten auf den Titel hoffte, bevor Bayern in der Nachspielzeit in Hamburg doch noch den Ausgleich schoss.
Damals feierten Schalker Spieler und Fans schon auf dem Rasen, weil ihnen Premiere-Reporter Rolf Fuhrmann irrtümlicherweise vermeldet hatte, dass Bayern verloren hat. „Ich habe wie wild herumgefuchtelt“, erinnert sich Breuckmann, „ich wollte zeigen, dass in Hamburg noch nicht Schluss ist. Aber keiner hat mich gesehen.“
Dafür haben ihn zehn Millionen Menschen gehört.
Pulsrasen bei "Elfmeter in Bielefeld"
So viele schalten im ganzen Land jeden Samstag das Radio ein, spätestens ab fünf vor fünf zur Schlusskonferenz, die selbst schon zu bedenklichem Pulsrasen führt, wenn Sabine Töpperwien am 3. Spieltag ein hyperventiliertes „Elfmeter in Bielefeld“ dazwischenknödelt.
Jetzt, am letzten Spieltag, ist die Spannung ungleich höher, und deswegen fangen sie mit der finalen Konferenz schon um 16.35 Uhr an. Die letzten 40 Minuten im Meisterkrimi, in dem die Bayern ein Wunder brauchen. Wo Wolfsburg ja fast schon durch ist wie Leverkusen vor neun Jahren. Wo es Bremen machen soll wie einst Haching, wo die Bayern-Fans beim Spiel gegen Stuttgart mit Knopf im Ohr darauf hoffen, dass ihnen Holger Gerska die Werder-Führung aus Wolfsburg verkündet.
Für den Reporter des Bayern-Spiels wäre das nichts Neues. Er kennt sich aus mit solchen Situationen. Aus Fröttmaning berichtet Eddi Endres. Das Stadion wird kochen.
Florian Kinast
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