„Das sind echte Typen“
Dank neuer Stars wie Harting und Friedrich könnte der WM-Boom von 2009 weitergehen. Zehnkampf-Legende Frank Busemann glaubt an „13 Medaillen für uns“.
BARCELONA Fast genau ein Jahr ist es her, dass sich die Leichtathletik – nach jahrelangem Dornröschschlaf – bei der WM in Berlin mit einem wahren Emotions- und Leistungsfeuerwerk auf der großen Sportbühne zurückmeldete. Die WM elektrisierte die Massen, erreichte die Herzen, verzauberte die Seelen.
Die Show des Wunderläufers Usain Bolt, der sich im 100-Meter-Sprint, über die 200 Meter und in der 4x100- Meter-Staffel drei Mal Gold holte, hat Sportgeschichte geschrieben. Nun soll die EM in Barcelona (27. Juli bis 1. August) für Highlights en masse sorgen – und nicht nur einen Rekord bei der Teilnehmerzahl (1370) aufstellen. „Die Leichtathletik hat wieder neue Helden, international und national“, sagt Verbands-Präsident Clemens Prokop. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur EM:
Wie stehen die Medaillenchancen der 73 deutschen Starter?
Bei der EM 2006 holten die DLV-Athleten zehn Medaillen, bei der WM 2009 neun. „Eine zweistellige Zahl ist möglich“, sagt Prokop. Besonders in den Wurf- und Stoßdisziplinen sieht es gut aus. Petra Lammert, Nadine Kleinert, und Ralf Bartels sind im Kugelstoßen Favoriten. Nadine Müller, Robert Harting (beide Diskus), Betty Heidler (Hammer), Christian Obergföll (Speer) sind ebenfalls alle für Edelmetall gut. „Deutschland hat seine Stärken in den technischen Disziplinen“, sagt Astrid Kumbernuss, Kugelstoß-Olympiasiegerin von 1996. Doch auch in den Sprung- und Sprint-Disziplinen ist der DLV stark. Ariane Friedrich (Hochsprung) gilt als Bank, aber auch Hürdenläuferin Carolin Nytra, Weitspringer Christian Reif, Siebenkämpferin Sabine Oeser und Silke Spiegelburg, Carolin Hingst, Raphael Holzdeppe und Malte Mohr (alle Stabhochsprung), Verena Sailer (Sprint) gehören zu Europas Besten. „Ich tippe auf 13 Medaillen für uns“, sagt Zehnkampf-Legende Frank Busemann.
Was wurde aus den deutschen WM-Stars?
Weltmeisterin Steffi Nerius (Speer) hat die Karriere beendet, ansonsten sorgten besonders Harting und Friedrich für Aufsehen. „Das sind echte Typen. Sie waren neben dem alles überstrahlenden Bolt die Gesichter der WM“, sagt Busemann, „Sie haben der Leichtathletik in Deutschland zu einem gewissen Boom verholfen.“ Die EM soll das festigen. Busemann: „Wenn die Leistung, die Dramatik stimmt, wie etwa bei Jan Fitschen 2006 in Göteborg, dann werden auch bei der EM wieder Stars geboren.“
Wer sind die EM-Hingucker?
Die Duelle zwischen der schönen Hochsprung-Diva Blanka Vlasic und Friedrich, sowie zwischen Muskelberg Dwain Chambers, der seine Dopingsperre abgesessen hat, und dem „französischen Sprint-Leptosomen Christophe Lemaître“ (Busemann) über die 100 Meter sollten für Zündstoff sorgen. Aber auch Hemdzerreißer Harting hat absolutes Starpotenzial. „Die haben alle etwas, was man nicht lernen kann, aber eben Gold wert ist“, weiß Busemann, „sie haben Charisma.“
Wie sauber wird diese EM?
„Genau so sauber wie die anderen großen Wettkämpfe der letzten Jahre“, sagt Busemann, „gesunde Skepsis ist angebracht. Man hat das Gefühl, die Doper sind den Fahndern in den letzten Jahren wieder etwas enteilt. Leider.“ Und Doping-Experte Werner Franke meint: „Erwischt werden nur die Bescheuerten. Die Stars haben ihre Grenzwerte alle ausgetestet. Marion Jones wurde 160 Mal negativ getestet, und war doch vollgepumpt bis oben.“ Prokop aber sagt: „Wir sind auf einen gutem Weg, das Problem in den Griff zu bekommen.“
Matthias Kerber
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