Das sagt Anna Schaffelhuber im AZ-Interview über ihre Paralympics-Ziele

Anna Schaffelhuber, fünfmalige Siegerin von Sotschi, spricht im AZ-Interview über ihre Paralympics-Ziele und Barrierefreiheit in Deutschland.
Johannes Schnabl |
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"Ich will fünfmal um den Sieg mitfahren", sagt Anna Schaffelhuber vor den Paralympics in Pyeongchang.
dpa "Ich will fünfmal um den Sieg mitfahren", sagt Anna Schaffelhuber vor den Paralympics in Pyeongchang.

Die 25 Jahre alte Monoskifahrerin wurde mit einer inkompletten Querschnittlähmung geboren. Bei den Paralympics 2014 in Sotschi holte sie fünf Goldmedaillen.

AZ: Frau Schaffelhuber, kurz vor den Paralympics sind Sie eine gefragte Frau.
ANNA SCHAFFELHUBER: Ja, die Termine werden deutlich mehr, es ist schon gut was los (lacht). Wie geht es Ihnen denn vor dem Start der Spiele, Anspannung oder Vorfreude? Ich muss ehrlich sagen, dass ich zuletzt eher angespannt war. Aber jetzt, kurz vor dem Start, freue ich mich doch, wenn es endlich mal losgeht. Man arbeitet ja so lange auf so ein Ereignis hin – und dann muss es auch einfach mal kommen.

Auf Sie wird besonders geschaut, Sie sind Deutschlands Vorzeige-Paraolympionikin, haben bei den letzten Spielen in Sotschi mit fünf Goldmedaillen alles abgeräumt. Spürt man die Erwartungshaltung?
Das ist mal so, mal so. Zu Beginn der Saison habe ich das für mich schon als riesigen Druck empfunden, und ich habe auch gespürt, dass der Fokus besonders auf mich gelegt wird. Da denkt man natürlich: "Jetzt muss ich auch abliefern." Aber das hat sich geändert. Ich weiß, ich bin die Einzige, die dort oben stehen wird und schon jede einzelne Goldmedaille daheim liegen hat. Diesen Traum wollen sich die anderen Fahrerinnen natürlich auch erfüllen. Die Geschichte, die ich in Sotschi geschrieben habe, die nimmt mir keiner mehr. Von daher will ich die Spiele jetzt auch einfach mal genießen. Angreifen werde ich trotzdem.

Vor allem, weil von Ihnen, als Star des Teams, sicher wieder Medaillen erwartet werden.
Einerseits freut mich dieser Favoritenstatus, dieses Interesse habe ich mir ja auch erarbeitet. Andererseits gibt es nebenher viel zu erledigen, was auch anstrengend ist. Ich habe mehr Termine, bin viel unterwegs, während andere regenerieren können. Aber es gehört dazu und ich hoffe, dass ich das Beste daraus machen kann.

Es sind Ihre dritten Spiele nach Vancouver und Sotschi, welche Ziele gibt es noch? Vielleicht die Silbermedaille?
Genau, die habe ich ja noch nicht (lacht). Nein, ich möchte von Tag zu Tag schauen. Ich möchte fünfmal oben stehen und fünfmal um den Sieg mitfahren. Aber man muss auch realistisch sein: So wie es in Sotschi lief, ist es keine Selbstverständlichkeit. Es ist ein sehr enger Sport und ich erwarte fünf enge Entscheidungen.

Das deutsche Olympia-Team hat ja in Südkorea schon ganz ordentlich vorgelegt, hatten Sie da schon Kontakte nach Pyeongchang?
Ja, vor allem zu den Rodlern, zu Natalie Geisenberger oder den beiden Tobis im Doppelsitzer (Tobias Wendl und Tobias Arlt; d. Red.). Wir haben uns schon immer gut verstanden, daher bleibt man auch in Kontakt.

Was wurde so gesprochen? Glückwünsche ausgetauscht?
Klar sagt man alles Gute, aber es waren eher so kleine Themen. Das Wetter in Südkorea und so weiter.

Es dürfte kalt werden. Freuen Sie sich auf das Land?
Mei, ich seh vom Land ja fast nix. Da pendle ich zwischen Dorf und Wettkampfstätten hin und her, gebe Pressekonferenzen. Von daher ist es fast egal, ob die Spiele in Südkorea oder Sotschi sind. Wären die Spiele in Europa, wo man von Euphorie und vielen Zuschauern ausgeht, würde ich mich deutlich mehr darauf freuen. Ich glaube aber, es wird ähnlich wie in Russland, von den Zuschauern her dürften es sogar noch weniger werden.

Schon bei den olympischen Skiwettkämpfen waren die Tribünen halbleer. Fürchten Sie leere Ränge?
Ja, eigentlich schon. Unsere Wettkampfstätten sind so weit ausgelagert, da verirrt sich sonst kein Mensch hin. Ich hoffe einfach auf ein paar Interessierte, die sich den Aufwand machen, dahin zu gondeln.

Die Spiele könnten auch in München und Garmisch stattfinden. Sie haben sich für die Bewerbung damals starkgemacht.
Ja, da musste ich letztens auch erst dran denken, wie schade das ist. Es wäre so perfekt gewesen, wir hätten sensationelle Spiele veranstalten können. Aber man muss die Meinung der Bevölkerung respektieren. Es ist leider so.

In vier Jahren geht es nach Peking. Mit Ihrem großen Traum, Spiele in Europa, wird es wohl nichts mehr, Sie liebäugeln ja mit einem Karriereende, oder?
Naja, da will ich mir jetzt noch keine Gedanken machen. In den kommenden Wochen sind die Herausforderungen groß genug. Ich geh jetzt mal davon aus, dass ich weiter fahre. Aber entschieden wird definitiv nach den Spielen. Egal, wie es ausgeht.

Schaffelhuber: "Wenn ich nirgendwo hinkomme, habe ich ein Problem"

Für den paralympischen Sport in Deutschland wäre Ihr Karriereende ein großer Verlust. Sie sind das prägende Gesicht, haben damit auch Verantwortung und Vorbildfunktion.
Ich habe nie gesagt, dass ich ein Vorbild sein will, aber ich bin da irgendwie reingewachsen – und das freut mich auch, dass ich durch den Sport eine solche Funktion erfüllen kann. Deshalb spüre ich aber keinen Druck, dass ich sage: "Ich muss da jetzt dabei bleiben" Das ist alleine meine Entscheidung.

Ihr Lehramtstudium neigt sich dem Ende entgegen. Wie schaffen Sie das auch noch nebenbei?
Ich studiere ein bisschen nach dem Zwei-Welten-Prinzip, mache vieles unterwegs. Die LMU München unterstützt mich auch, wenn es mal Probleme geben sollte. Aber klar, statt zu regenerieren, sitzt man dann am Schreibtisch. Trotzdem will ich mir ein zweites Standbein aufbauen, dadurch fühle ich mich freier, unabhängiger.

Wie kommen Sie denn fernab der Pisten mit Ihrer Querschnittslähmung zurecht, zum Beispiel an der Uni? Ist die Inklusion schon überall in Deutschland angekommen?
Ich glaube nicht, dass man in Deutschland schon so weit ist, wie man vielleicht meint. Es hängt halt vieles an der Barrierefreiheit. Wenn man überall problemlos hinkäme, müsste sich auch keiner Gedanken um Inklusion machen, weil dann jeder Anteil an der Gesellschaft hätte. Aber wenn ich nirgendwo hinkomme, habe ich ein Problem. Da geht einfach noch viel mehr, aber man ist auf einem guten Weg.

So wie Sie. Was sollen wir Ihnen noch für Pyeongchang wünschen?
Dass ich zufrieden wieder heimkomme. Und wie sieht Zufriedenheit aus? Eigentlich erfüllt sich mein Wunsch ja schon am ersten Tag, wenn meine komplette Familie bei den Spielen vor Ort ist. Davon habe ich immer geträumt, dass sie alle da sind, wenn ich am Start stehe. Persönlich wünsche ich mir nur, dass ich alles gebe. Wenn ich das schaffe, dann bin ich zufrieden.

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