Das Knie! Stützle-Schock bei der Eishockey-WM

Vor einem Monat musste sich Tim Stützle böse Vorwürfe gefallen lassen. Ein Schauspieler sei er, der bei Nichtigkeiten liegenbleibe als wäre er verletzt, sagte Brendan Gallagher von den Montreal Canadiens.
Künast über Stützle: "Er ist bei unserer medizinischen Abteilung in sehr guten Händen"
Aber dass Stützle simulierte, das stand am Montagabend im Weltmeisterschaftsspiel gegen Frankreich (3:2) nicht zur Debatte. Der Schmerz war ihm aus dem Gesicht abzulesen, als Gegenspieler Thomas Thiry in der 14. Minute Stützles linkes Knie gegen die Bande checkte. Der deutsche NHL-Star schied aus der Partie aus.
Wie lange der Ausnahmestürmer ausfällt, steht noch nicht fest. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) blieb auf AZ-Anfrage kryptisch. Sportchef Christian Künast sagt über Stützle: "Er ist bei unserer medizinischen Abteilung in sehr guten Händen, wir warten die nächsten Tage ab."
Weiter geht es ja erst am Donnerstag gegen Dänemark (15.20 Uhr, live in Sport1/MagentaSport). Bundestrainer Toni Söderholm gab nach der Partie gegen die Franzosen, die allem Anschein nach bewusst hart auf Stützle und den zweiten deutschen Star Moritz Seider (NHL-Klub: Detroit Red Wings) draufgingen, frei.
Wird Supertalent Lukas Reichel nachnominiert?
Ob Stützle zurückkommt oder nicht, der DEB kann eine seiner noch offenen Lizenzen ziehen und einen Spieler dazu holen. In Finnland hält Söderholm vier Spieler auf Abruf bereit: Dustin Strahlmeier (Tor), Mario Zimmermann (Verteidigung) sowie die Stürmer Alexander Karachun und Taro Jentzsch. Und dazu tut sich jenseits des Atlantiks nun eine weitere verlockende Alternative für den Bundestrainer auf.
Supertalent Lukas Reichel hat nun Zeit für die WM. Die Rockford IceHogs, für die er in der NHL-Zulieferliga AHL spielt, sind in der Nacht zum Montag aus den Playoffs ausgeschieden. Der Rosenheimer ist, wie Stützle, 20 Jahre jung. Er kann, wie Stützle, das Spiel als Center machen oder über die Außen kommen.
Im Verlauf des heutigen Tages könnte er sich auf den Weg nach Helsinki machen, zum Nationalteam - so denn das grüne Licht kommt. Doch am Schalter dafür sitzt nicht der DEB, der an Reichels Diensten selbstverständlich interessiert wäre. "Es muss vieles noch geklärt werden, das nicht in unseren Händen oder der der Spieler liegt", sagt Söderholm.
Der DEB muss sich noch um eine Versicherung für den Auswahl-Spieler kümmern
Bei Eishockey-Klubs sind Ausgangsgespräche ("Exit-Meetings"), gesundheitliche Tests und PCR-Abstrich Usus, so auch im Falle Reichels und dem ebenfalls zu den WM-Kandidaten zählenden Leon Gawanke. "Dann sind wir im Austausch, wie schnell wir sie holen könnten, wenn alles im Grünen Bereich ist und die Vereine auch sagen, dass es in Ordnung ist", erläutert Söderholm. Der DEB müsste sich nach der Freigabe noch um eine Versicherung für den Auswahl-Spieler kümmern. Kein Pappenstiel, Reichels Gehalt von 925.000 Dollar muss dabei gedeckt werden.
Doch Schritt für Schritt: Das "Go" des Klubs ist keineswegs selbstverständlich: Die Chicago Blackhawks, bei denen Reichel unter Vertrag steht, spielen in der NHL. Eine Abstellungspflicht für die Landesauswahl gibt es nicht und die Superliga unterwirft sich dem Eishockey-Weltverband IIHF generell nicht. Die verweigerte Abstellung ihrer Spieler für die Olympischen Spiele haben erneut vor Augen geführt: Die NHL blickt zuerst auf ihre eigenen Interessen und die Klubs darauf, was für die Entwicklung ihres Rohdiamanten am besten ist.
Stützle-Verletzung trifft auch die Ottawa Senators hart
Die Stützle-Verletzung ist darum nicht nur ein Schock für den Spieler selbst und die deutsche Nationalmannschaft. Auch die Ottawa Senators bangen. Der Deutsche ist ihre große Hoffnung auf eine bessere Zukunft - wie er es auch bei der Weltmeisterschaft ist. So er denn dort noch mal spielen kann. Künast hält das für "wahrscheinlich".
Hoffnung auf ein Stützle-Blitzcomeback macht ausgerechnet der Blick auf den kommenden Gegner Dänemark. Genauer gesagt: auf dessen Angreifer Frederik Storm. Der ERC Ingolstadt, bei dem der 33-Jährige spielt, hatte Ende März schon Storms Saisonende vermeldet. Der listige Stürmer hatte sich die Hand gebrochen. Doch Storm ist bei der WM und spielt - mit Schrauben und einer Platte, die die zertrümmerte Hand vom Handgelenk bis zum kleinen Finger zusammenhalten. Er traf gleich im ersten WM-Spiel. Eigentlich irre, aber halt Eishockey. Stützle-Kritiker Gallagher wäre beeindruckt.