Das Keppler-Wunder
In seinem siebten Weltcup-Jahr fährt der Münchner Stephan Keppler mit Platz zwei beim Super-G in Gröden erstmals aufs Podium
GRÖDEN Der Zielraum in Sankt Christina ist ein unwirtlicher Ort, weil immer lausig kalt. Freiwillig hält sich dort nur auf, wer die weltbesten Abfahrer sehen will. Die Athleten schauen, dass sie flott wieder ins Warme kommen. Stephan Keppler hat das nach seinem Super-G nicht geschafft. Er musste lange in der Kälte stehen – in der Leader Box. Dort steht während des Rennens der Führende. Abfahrer im schwarzweißen Tiger-Rennanzug des Deutschen Skiverbandes (DSV) hat man dort seit Jahren nicht mehr gesehen.
Doch nun steht da der Mann mit Startnummer sieben und winkt verlegen in die Kamera. Bode Miller rauscht ins Ziel – Keppler bleibt in der Box. Didier Cuche flitzt heran – Keppler bleibt. Benni Raich donnert durchs Ziel – Keppler bleibt immer noch. So ging das eine Weile, und allmählich wurden die Statistiken rausgekramt. Letzter deutscher Podestplatz im Super-G: Markus Wasmeier, 1991. Beste Weltcup-Platzierung Kepplers: zwei mal Achter, zuletzt 2006. In sieben Jahren 75 Weltcuprennen, davon 24 Mal in den Top 30. Bei Olympia auf Rang 24. In dieser Saison: 29, 26, 20. Das Podium? Lichtjahre entfernt. Scheinbar.
Michael Walchhofer erlöste den 27-Jährigen dann doch noch aus der Box, verdarb ihm den ersten Weltcupsieg, hinterließ aber dennoch einen glücklichen Menschen. „Das ist schon ein bisschen unheimlich, wenn man in der Leader Box steht und wartet und wartet“, sagte Keppler, „ich weiß auch nicht, was da passiert ist. Ich bin gefahren wie immer – und auf einmal ging's.“
Baff war auch Wolfgang Maier, der Alpindirektor des DSV: „Das kam für alle überraschend. Ich bin extrem happy. Endlich ein positives Lebenszeichen unserer Abfahrtsabteilung! Ich freue mich sehr für das Team und seine Trainer. Sie haben keine leichte Zeit hinter sich, immer im Schatten der Damen zu stehen und immer mit Kritik zu leben.“
Den in Innsbruck geborenen und auf der schwäbischen Alb aufgewachsenen Rennläufer des WSV Ebingen hatte niemand mehr auf der Rechnung. Auch im Trainerteam gab es manch kritische Stimme. So sprach Männer-Coach Charly Weibel unlängst noch vom Rennfahrer-Gen seiner Jungs: „Einpflanzen kann ich es ihnen nicht, aber die haben das alle. Es ist nur irgendwann verschütt' gegangen.“
Der Wahl-Münchner Keppler (Spitzname Keppes, Hobbies: kochen, pokern, VfB) hatte zuletzt Bandscheibenprobleme. „Die letzten Jahre habe ich nur gekämpft, auch mit Verletzungen. Dieses Jahr läuft’s endlich wieder besser“, meinte Keppler vor dem Rennen, „im Training hat man öfter gesehen, dass ich mithalten kann. Im Rennen hat’s aber noch nicht geklappt.“ Bis zu diesem kalten Freitag in Sankt Christina.
Th. Becker
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