Christine Theiss: "Sexsymbol? Von wegen!"
Kickbox-Weltmeisterin Theiss, die am Freitag ihren Titel verteidigt, über ihre erotischen Fotos, Liebeserklärungen ihres Gatten – und die schwere Zeit nach dem Suizid ihres Teamkollegen Kabashi
AZ: Frau Theiss, wenn Frauen sich die Haare schneiden lassen, hat es meist eine große Veränderung in ihrem Leben gegeben. Was ist los?
CHRISTINE THEISS: Nichts. Ich habe nur meinem Friseur gesagt, dass er sich mal austoben darf, nachdem er mir jahrelang nur die Spitzen schneiden durfte. Als ich dann die Haare am Boden liegen sah, habe ich mich erstmal verflucht, aber ich muss zugeben, ich bin jetzt sehr zufrieden. Und die Haare wachsen bei mir eh wie bei einem Pferd.
Und dann treten Sie jetzt auch noch in Babyblau an...
Das heißt aber nicht, dass mein Kinderwunsch nicht mehr unterdrückt werden kann! Ich bin jetzt gerade 32 geworden, natürlich macht man sich da seine Gedanken, wie lange man die Karriere noch machen kann. Aber ich habe mich noch nicht entschieden. Ich habe tierischen Spaß, ich bin besser drauf als je. Ich kenne meinen Körper – und er mich und meine Macken.
Wie ist das Leben als neues Sexsymbol, nachdem Sie sich für FHM sehr erotisch ablichten ließen?
Sexsymbol? Von wegen! Es hat sich nichts geändert, außer, dass ich vielleicht in einigen Männerspinden hänge. Ich war vorher verheiratet und bin es immer noch. Mein Mann hat mir das schönste Kompliment gemacht. Er meinte: ,Wenn ich nicht schon in Dich verliebt wäre, wäre ich es jetzt.’
Sie treten gegen Olja Zerajic an, nachdem Ihre eigentliche Gegnerin Natalie Bee aufgrund einer Familientragödie für den Kampf absagte.
Ja, ihre Mutter hatte einen fürchterlichen Autounfall, bei dem sie eine schwere Hirnblutung erlitten hat und seitdem im Koma liegt. Ich habe nicht nur volles Verständnis für Natalies Entscheidung, ich Freude mich sogar darüber. Ich muss zugeben, dass ich ein großes emotionales Problem gehabt hätte, gegen sie anzutreten, auf sie einzuschlagen, wenn sie gerade so etwas durchmacht. Ich versuche, nie eine große emotionale Bindung zu den Gegnerinnen aufzubauen, aber wie kann man mit einem Menschen, der so etwa erleben musste, kein Mitleid haben? Ich hätte das nicht geschafft.
Wie sehr haben Sie denn den Tod Ihres Freundes und Trainingskollegen Besim Kabashi verarbeitet, der sich im Dezember das Leben nahm?
Es gibt Tage, da geht es – und es gibt Tage, da ist es immer noch sehr schwer zu verkraften. Im Moment sind es letztere. Am Montag wäre Besim 36 Jahre alt geworden. Wir hatten geplant, dass wir unsere Geburtstage gemeinsam nach dem Kampfabend am Freitag feiern. Ich habe viele Tränen vergossen. Er hat mir auch immer gesagt: Chrissi, Du must mal nach Brasilien in den Urlaub fahren. Das werde ich jetzt auch nach dem Kampf tun, aber Besim wird eben nicht dabei sein.
Sie sind selber Ärztin, wie erschütternd war es für Sie, dass Sie – obwohl Sie Kabashi fast jeden Tag gesehen haben – von seiner Erkrankung nichts mitgekriegt haben?
Es ist fürchterlich. In meinem sehr engen Kreis gibt es auch jemand, der depressiv ist, ich habe das Krankheitsbild als Ärztin gesehen, und trotzdem habe ich bei Besim nichts geahnt. Er hatte eine perfekte Fassade aufgebaut. Die Öffentlichkeit geht durch den Suizid von Robert Enke mit dem Thema sensibler um, aber die Erkrankten müssen selber verstehen, dass es keine Schwäche sondern eine Krankheit ist. Bei Besim war es sicher so, dass die äußeren Umstände es noch schwerer machten. Ein Schwergewichtschampion, da denkt jeder, der ist immer stark, er kann sie Welt besiegen. Da gesteht man sich vielleicht noch schwerer ein, dass die Seele krank ist.
Wie gehen Sie als gläubige Christin mit dem Thema Selbstmord um?
Mein Mann, der ja auch Mediziner ist, hat das sehr gut beschrieben: Depressionen sind eine extrem schwere Krankheit. So wie Krebs. Bei beiden ist die Mortalitätsrate sehr hoch. Auch wenn sich ein Depressiver vielleicht selber das Leben nimmt, es ist ja keine freie Entscheidung, weil seine Entscheidungsfähigkeit von der Krankheit ausgehebelt ist. Daher steht es niemand zu, über diese Menschen ein Urteil zu fällen.
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