Christina Hammer: "Ohne WM-Gürtel fühlte ich mich fast nackt"
AZ-Interview mit Christina Hammer Die 30-Jährige holte sich durch ihren K.o.-Sieg über Sanna Turunen den WM-Titel im Supermittelgewicht zurück, den sie 2019 an Claressa Shields verloren hatte
AZ: Gratulation, Frau Hammer, jetzt können wir nach Ihrem beeindruckenden K.o.-Sieg gegen Sanna Turunen ja endlich wieder Weltmeisterin zu Ihnen sagen!
CHRISTINA HAMMER: Vielen Danke. Ja, es tat schon allein gut, wieder im Ring zu stehen. All das zu erleben. Das Licht, den Ring, dieses Gefühl des Kampfes, das ist nicht mit Training und Sparring zu vergleichen, da kommt nichts dran. Ich habe das schon sehr vermisst. Klar gehen einem die Fans ab, diese elektrisierende Atmosphäre, aber ich war schon froh, überhaupt wieder meiner Profession und Leidenschaft nachgehen zu können. Und zum Titel, es hat halt jetzt alles doch viel länger gedauert, als ich gedacht hätte. Auch dieser Kampf hatte eigentlich ja schon Ende Oktober in München stattfinden sollen. Doch dann machte Corona uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung und Planungen. Aber ich bin wieder Weltmeisterin, also alles gut.
Ohne die WM-Gürtel haben Sie sich sicher. . .
. . . fast ein bisschen nackt gefühlt (lacht). Es ging einem wirklich was ab, wenn man plötzlich diese Gürtel nicht mehr hatte. Die Niederlage gegen Claressa Shields tat an sich schon weh, aber so wurde man auch noch immer wieder dran erinnert. Wenn man auf irgendwelche Events oder Veranstaltungen eingeladen wurde, hatte man sonst immer die WM-Gürtel im Gepäck, um sie präsentieren zu können. Und plötzlich nichts mehr. Das Gepäck war plötzlich so leicht (lacht). Aber Spaß beiseite, ich denke, dass es so kommen musste mit der Niederlage, damit ich noch stärker, noch fokussierter werde. Ich stellte mir die Frage, ob ich es lassen soll. Soll ich am Boden liegen bleiben? Aber das bin nicht ich. Ich stehe wieder auf und komme besser zurück.

Hammer: "Weihnachten feiere ich im ganz kleinen Kreis"
Und das mit einem krachenden Knockout. Der letzte ist auch schon ein bisschen her.
Stimmt. Der letzte, wo die Gegnerin so richtig ausgeknockt am Boden lag, war 2018. Knockouts sind immer gut, dann gibt es keine zwei Meinungen, wer gewonnen hat.
Haben Sie überhaupt gefeiert?
Nicht groß. Ich bin vom Kampfort Köln nach Dortmund zu meiner Familie gefahren, die schon auf mich gewartet hat. Und dann habe ich mich mit Kuchen und Süßigkeiten belohnt. Denn mit Süßigkeiten kriegt man mich immer. Und das hatte ich mir einfach verdient.
Nachdem Sie sich mit dem Titelgewinn ja eh das schönste Geschenk gemacht haben, wie werden Sie jetzt Weihnachten begehen?
Ich fahre zu meiner Oma nach Kassel und wir feiern dann im ganz kleinen Kreis. Meine Oma wird dann wieder aufkochen und auffahren ohne Ende. Sie sagt eh immer: "Christina, du bist so dünn, iss doch mal was." Ich sage ihr immer, ich bin Leistungssportlerin, das geht nicht. Aber sie kennt da kein Erbarmen. Also werde ich wohl ein bisschen mehr essen müssen. Leider habe ich dieses Mal nicht so die tollen Geschenke gefunden. Ich gehöre zu den Menschen, die immer erst alles auf den letzten Drücker einkaufen - und dann waren die Läden eben leider dicht.
Hammer: "Stimmt. Ich heiße wirklich so"
Ihre Familie stammt aus Kasachstan, gibt es spezielle Weihnachtstraditionen, die Sie mitgebracht haben?
Eigentlich nicht, die wenigsten Kasachen feiern ja Weihnachten, da sie Muslime sind. Wir aber sind Christen und haben deutsche Vorfahren.
Daher auch der Name Hammer, der eben kein angenommener Kampfname, sondern Ihr wirklicher Name ist.
Stimmt. Ich heiße wirklich so. Es steht so in meinem Pass, im Klingelschild an der Haustür. Ich verstehe, dass die Leute da zweifeln, denn es gibt ja kaum einen besseren Namen für eine Boxerin. Da wurde mir einiges in die Wiege gelegt (lacht).
Wie sehen Ihre Pläne für das Jahr 2021 aus? Da kommt ja auch Großes auf Sie zu. . .
In erster Linie hoffe ich und wünsche ich mir, dass es für uns alle, ein besseres, schöneres Jahr wird und wir alle gesund bleiben. 2020 war schon furchterregend. Sportlich will ich auf jeden Fall einige Kämpfe bestreiten, vielleicht auch wieder in Amerika, da hat Frauenboxen doch einen ganz anderen Stellenwert. Und dann werde ich alles daransetzen, bei den Olympischen Spielen in Tokio für Deutschland anzutreten. Olympia ist für jeden Sportler das Größte. Ich will als erste deutsche Boxerin eine Medaille nach Hause bringen und so Geschichte schreiben
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