Boxsport: Gustav Scholz zum 90. Geburtstag
Am Ostersonntag wäre die deutsche Box-Ikone Gustav Scholz 90 Jahre alt geworden. Sein Leben ist die Geschichte eines tief gefallenen Helden.
So richtig berühmt ist man eigentlich erst, wenn man schon am Vor- oder Spitznamen erkannt wird, wenn allein dieses Wort keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, wer gemeint ist. Das ist beim Franz so, beim Boris, bei der Steffi, beim Otto (okay, da gibt es zwei: Waalkes und Rehhagel) – und eben auch beim Bubi.
Bubi Scholz, der boxende Beau, gehörte genau zu dieser seltenen Spezies. Ein Name – und jeder wusste sofort, wer gemeint ist. Dass er eigentlich Gustav Wilhelm Herrmann Scholz hieß, das wissen die wenigsten über den Ex-Europameister, der sich so gekonnt in die Herzen der deutschen Sportfans schlug.
Wie aus Gustav "Bubi" wurde
Am 12. April hätte Scholz seinen 90. Geburtstag begangen. Doch Scholz, der am Prenzlauer Berg im zerstörten Berlin der Nachkriegszeit aufgewachsen ist, verstarb bereits am 21. August 2000 in einem Pflegeheim in Hoppegarten am Rande der Stadt. Ein Herzinfarkt, mehrere Schlaganfälle, psychiatrische Therapien, Altersdemenz hatten Scholz seiner Gesundheit beraubt. Doch die Geschichte von Scholz, dem ewigen Bubi, ist keine Helden-Saga, sondern ein Tragik-Epos.
Denn er hatte alles, seine stahlblauen Augen, sein Charme, seine Fähigkeiten machten ihn zum Liebling der Massen. 96 Profikämpfe bestritt er, nur zwei Mal verlor er. 60 000 Fans jubelten ihm im Berliner Olympiastadion zu, als er 1962 gegen den US-Weltmeister Harold Johnson um den Titel im Halbschwergewicht boxte. Er verlor nach Punkten – umstritten. Doch er hatte die Herzen der Fans gewonnen.
Ein deutscher Muhammad Ali
Bubi, der wegen seiner mageren Erscheinung diesen Spitznamen erhielt, war so etwas wie der deutsche Muhammad Ali. Er war Sinnbild für den Aufschwung Deutschlands. Was das Wunder von Bern für die Fußballer war, das war Bubi für die Boxwelt. Der Sohn eines Schmieds war Everybody’s Darling. Er versuchte sich – mehr schlecht als recht, aber trotzdem bewundert – als Sänger, als Schauspieler. Zusammen mit seiner Frau Helga gehörte er zur High Society, seine (be-)rauschenden Feste in der eigenen Villa waren legendär. Wer was auf sich hielt, musste bei Bubi dabei sein: Curd Jürgens, Romy Schneider, Harald Juhnke, Hardy Krüger, sie alle kamen und tranken mit Bubi.
Sein Dämon - der Alkohol
Und er trank viel. Viel zu viel. Der Alkohol war sein persönlicher Dämon, der eine Gegner, den er nie besiegen konnte. Der Alkohol verband ihn auch immer noch mit seiner Helga, als die Ehe längst zerrüttet war. Sie tranken zusammen, sie stritten sich, es war ein täglicher Rosenkrieg. Der am 22. Juli 1984 blutig eskalierte. Scholz schoss im Vollrausch mit einem Gewehr durch die geschlossene Badezimmertür. Hinter der stand Helga, die Polizei fand sie tot neben der Kloschüssel vor.
Streit, Schuss - Mord?
Ein Unfall? Oder doch Mord? Darüber brachte auch der Gerichtsprozess keine Klarheit. Scholz wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt. Ein mehr als mildes Urteil für den gefallenen Helden.
Scholz saß die Strafe ab, kam 1987 frei und zog sich fast komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Er ertrug die Blicke der Leute nicht mehr. Er war nicht mehr Bubi, der strahlende Held, er war der Mann, der seine Frau im Suff ermordet hatte. Depressionen waren von da an seine ständigen, aber unsichtbaren Begleiter. 1993 fand er privat wieder etwas Glück, er heiratete: seine Sabine.
Neues privates Glück
Sie blieb bei ihm – bis zu seinem Tod. Auf dem Grabstein am Waldfriedhof Zehlendorf waren nur zwei Boxhandschuhe zu sehen, der Name Bubi Scholz zu lesen. Nur Bubi, nicht Gustav. 2008 wurde er umgebettet. Seine Sabine, die 2004 den Schauspieler Klaus-Jügen Wussow geheiratet hatte, der 2007 verstarb, wollte die Liebe ihres Lebens nebeneinander liegen haben. Und so hat der ewige Bubi nun seine ewige Ruhe am Friedhof Heerstraße in Berlin.